Einmal Küste und zurück
Manuskript: Heinz Läuffer
In den Fünfzigerjahren gab es zwischen Dakar und Lagos nur wenige Kunsthäfen wo Schiffe unserer Grösse anlegen konnten. Zum Löschen und Laden, insbesondere der Sackladung, lag man mit anderen Frachtern wochenlang auf Reede und wartete bis man an der Reihe war. Mit der fernen, unbekannten Küste vor Augen blieb der ersehnte Landgang oft längere Zeit ein Wunschtraum. Einmal jedoch, wir lagen vor der Küste Dahomeys, dem heutigen Benin vor Anker, gelang es einer wagemutigen Vierergruppe auf einem mit Stückgut beladenen Leichter an Land zu gelangen. Beinahe hätte ich mich jedoch selbst von dieser Landexkursion ausgeschlossen. Beim Besteigen des Leichters, im Transportnetz auf der Ladung stehend, geriet ich mit einem Bein beinahe zwischen zwei Kisten. Ja auch ein Hiev im Japanernetz will gelernt sein. Cotonou, unser Anlaufziel besass zu jener Zeit noch keinen Tiefseehafen. Ein eiserner Steg, noch aus der Kolonialzeit stammend, führte aus dem seichten Ufergewässer etwa 80 Meter ins offene Meer hinaus. Mit hölzernen Leichtern, geschleppt von kleinen, ein Mann bedienten Dampfbooten wurde eine Transportkette von und zu den ankernden Schiffen betrieben. Mehrere fahrbare Dampfkräne, ebenfalls noch aus Wilhelminischer Zeit, besorgten das Be- und Entladen der Transportleichter. Leider habe ich es versäumt, diese aus einer längst vergangenen Epoche stammende Szene im Bild festzuhalten. Einige auf dem Steg arbeitende Schwarze sprachen noch Deutsch. Die alte Reede von Cotonou mit dem Steg. Die GENERAL DUFOUR ganz rechts, halb verdeckt und die MALOJA links, ganz aussen (helle Bordwand) Mit ca. 30’000 Einwohnern war Cotonou damals ein ausgedehntes Eingeborenen-Hüttendorf, übrigens das Grösste entlang dieses Küstenabschnittes. Reihen gleichartiger, leicht gebauter Schilfhüten im weissen Sand markierten den Dorfcharakter. Unter dem auslandenden Vordach wurde gekocht, gegessen und gelebt. Ein Blick in den einzigen, sauberen aber spärlich ausgestatteten Innenraum bezeugte ein bescheidenes aber geordnetes Leben seiner Bewohner. Der Lebensstandard in den französischen Kolonien war sichtbar höher. Als wir vier Ausflügler nach ausgedehnter Foto-Safari schliesslich müde aber zufrieden an Bord zurückkehren wollten, war es abends und der Schiffspendelverkehr eingestellt. Infolge der rauen See wurden alle Dampfboote und Leichter ausgewassert und auf dem Steg in Sicherheit gebracht. Uns blieb daher nichts anderes übrig, als für die einbrechende Nacht eine sichere Bleibe zu suchen. Im «Hotel de la Plage» direkt am Meer, offenbar dem gesellschaftlichen Mittelpunkt der Kolonialfranzosen wurden wir fündig. Der schwarze Boy am Empfang konnte uns zwei günstige Doppelzimmer in der Dependance des Hotelkomplexes anbieten. Inzwischen war auch der französische Hotelmanager dazugestossen. Er musterte jeden Einzelnen von uns und versäumte nicht, seine ohne jegliches Gepäck angereisten jungen Gäste eingehend über die, in seinem vornehmen Hause geltenden Verhaltensregeln aufzuklären. Es war u. a. strikte untersagt, Nichthotelgäste aufs Zimmer zu schleppen. Auf diesen Punkt legte der Mann besonderen Wert. Zu zweit machten wir einen schnellen Zimmerbezug und trafen uns nach der heiss ersehnten Dusche zu einem «Sundowner» in der Hotelbar. Wie wir hier hörten, war zur Unterhaltung der zumeist französischen Gäste an diesem Abend im Hotelpark eine Open Air-Filmvorführung angesagt. Es wurde natürlich ein französischer Klassiker gezeigt. Im ersten Stock auf unseren Betten sitzend hatten wir sogar Logenplätze. Nach dem Ende der Vorführung hielt der vorgerückte Abend für uns noch eine weitere und unerwartete Überraschung bereit. Der Hotel Boy vom Empfang tauchte unvermittelt auf und fragte mit vielsagendem Lächeln nach unseren weiteren Wünschen. Noch beeindruckt vom Empfangsgespräch fiel uns spontan nur der heisse Wunsch nach kühlen Getränken ein. Nun der Menschenfreund liess durchblicken, dass er auch für andere Bedürfnisse der richtige Ansprechpartner wäre. Sein strenger Boss wäre übrigens schon längst im Bett, wie er uns beruhigend versicherte. Da wir ja mehrere Wochen lang nichts als Wasser sahen, bevor wir in diese Weltecke abgetrieben wurden, liessen wir uns trotz Warnung überzeugen, die Wunschliste um einige Punkte zu erweitern. Als passive Hotelgäste überliessen wir die notwendigen Aktivitäten tunlichst unserem angeblichen Szenekenner. In der Tat, der Mann hatte nicht zu viel versprochen. Unsere Vermutungen wurden zur Gewissheit, auch afrikanische Mütter haben hübsche Töchter. Frühmorgens nach einer kurzen aber erfüllten Nacht in bequemen Hotelbetten gings zurück an Bord. Die Rückfahrt zu unserer «General Dufour» war etwas ruppig und der anschliessende Aufstieg über die schwankende Bootsmannsleiter geriet zur waghalsigen Kletterpartie. Alle Teilnehmer waren sich jedoch darin einig, unsere nichtgeplante afrikanische Hotelnacht in flotter Gesellschaft war das Highlight unserer Landexkursion. Es war, sagen wir mal, unser ganz persönlicher Beitrag zur so notwendigen Völkerverständigung. Heinz Läuffer, 26. April 2019 Die weniger romantische Seite der Seefahrt oder mein erstes Schiff |