GESCHICHTE VON SEBASTIANO TUILLIER / BORROMINI SA LUGANO

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Flottenliste

Wohl wie mit allen Reedereien in Lugano, einer Stadt im Tessin, im südlichen, italienisch sprechenden Teil der Schweiz, war wenig bei den Schweizer Seeleuten über diese Firmen bekannt, vermutlich weil sie in den meisten Fällen italienische Seeleute beschäftigten. Auf den Schiffen von Keller hatte ein italienischer Seemann ab und zu so eine Bemerkung gemacht wie "schau noch ein Schweizer Schiff, ist von Tuillier in Lugano", das ungefähr war alles, was man hörte. Spanische Seeleute sollen gesagt haben "ich bin bei World Shipping in Lugano gefahren".

Der Reeder Sebastiano Tuillier lebte von 1910 bis 1982. Seine Familie hatte ihre Wurzeln in Frankreich. Mit der Invasion von Malta durch Napoleon I im Jahr 1798 kam die Familie auf diese Insel. Doch schon 1800 zogen sich die Franzosen unter dem Druck der Engländer zurück und Malta wurde eine britische Kronkolonie. Für die Franzosen wurde es unmöglich auf Malta zu verbleiben und seine Vorfahren zogen nach Sizilien weiter. Der Vater von Sebastiano führte einen Coiffeurladen in Catania und der junge Bursche trieb sich viele Stunden im Hafen rum und bewunderte die grossen Schiffe.

Vor dem 2. Weltkrieg, im Alter von 23 Jahren gründete Sebastiano Tuillier seine eigene Reederei (gemäss dem Lloyd's Confidential Index, Dezember 1967, war das im Jahr 1934). Mit Hilfe seiner Familie kaufte er sein erstes Schiff, den kleinen Frachtdampfer ESTERINA, die in Catania registriert wurde und unter italienischer Flagge fuhr. In 1939 wurde dieses Schiff wieder verkauft, dafür zwei andere, ältere Schiffe 1940 angekauft und in Lussinpiccolo registriert. Zu dieser Zeit gehörte dieser Hafen südlich von Rijeka (Fiume) zu Italien, wurde jedoch in 1947 Jugoslawien zugeordnet und jetzt Mali Losinj genannt. Heute gehört er zu Kroatien (vor dem 1. Weltkrieg gehörte der Hafen zu Österreich-Ungarn und wurde Klein Lötzing genannt). Der eine Dampfer wurde wieder ESTERINA getauft, der Andere war die SENIO.

Während des 2. Weltkriegs war Sebastiano Tuillier in der italienischen Kriegsmarine. Er war in Venedig stationiert und half die Versorgungskonvois für die italienischen Truppen in Albanien zu organisieren. Während dieser Zeit hatte er keine Zeit seine beiden Schiffe zu führen und übergab sie daher zeitweilig seinem Freund Ubaldo Gennari in Pescara (sein Sohn Torquato Romano Gennari verlegte seine Reederei später ebenfalls nach Lugano)

Nachdem er im Jahr 1943 aus der Marine entlassen wurde, lebte er zuerst in Venedig, später zog er nach Genua. Während dieser Zeit wurden zwei weitere Schiffe, die CAPO MANARA und die ESPERANZA erworben, beide fuhren unter der italienischen Flagge.

Nach dem 2. Weltkrieg wuchs die Flotte von Sebastiano Tuillier stetig, erst wurde sie von seinem Büro in Genua betrieben, dann anfangs der fünfziger Jahre (zwischen 1951 und 1953) wurde der Betrieb nach Lugano verlegt. Wir wissen nicht unter welchem Namen die Geschäfte in den ersten Jahren abgewickelt wurden, vermutlich unter San Rocco S.A., jedoch ab den 60er Jahren wurde die Reederei unter dem Namen Borromini S.A. betrieben. Die Schiffbesatzungen kamen aus Italien und Spanien, später stiessen noch einige Jugoslawen dazu. Sebastiano Tuillier hatte zwei Söhne, Natale, geboren 1942 und Eugenio, geboren 1948. Um 1977 erlangten Sebastiano Tuillier und seine beiden Söhne das Schweizer Bürgerrecht. Gemäss alten Lloyd's Büchern, zählte seine Flotte 1967 total 22 Schiffe, 1971 war mit 29 Schiffen ein Höchststand erreicht und 1977 bestand sie noch aus 19 Schiffen, die meistens unter der Flagge von Liberia oder Panama fuhren.

In 1949 wurde in Chur die Schweizer Firma San Giorgio S.A. di Navigazione gegründet, die Gesellschaft besass die beiden Frachtdampfer GENEROSO und SAN SALVATORE, die beide unter Schweizer Flagge fuhren. Der Betrieb der beiden Schiffe oblag der Firma San Giorgio S.A. di Navigazione, Via Ariosto 1, Lugano. Die Schweizer Behörden verlangten, dass die Kontrolle und der Betrieb der Schiffe vermehrt aus der Schweiz durchgeführt wird, daher fragte die Reederei Dr. Tuillier an, diese Aufgabe zu übernehmen. Man muss annehmen, dass daraufhin eine Bürogemeinschaft gebildet wurde und Sebastiano Tuillier seine eigenen Schiffe betreute und gleichzeitig auch der San Giorgio S.A. mit Rat und Tat beistand. Anscheinend war dem Unternehmen kein grosser Erfolg beschieden und Eugenio Tuillier meinte, er erinnere sich, dass sein Vater oft gesagt hätte "mit Partnern zusammen zu arbeiten ist immer ein sehr schwieriges Geschäft...". Die GENEROSO wurde 1952 an einen neuen Besitzer in Genua verkauft. Das Schiff wurde unter italienischer Flagge registriert, doch behielt sie ihren Namen und wurde von Sebastiano Tuillier weiterhin betrieben bis sie 1961 in Italien verschrottet wurde. Die SAN SALVATORE wurde schon 1953 zum Abbruch verkauft. Heute mögen wir uns wundern, dass Dr. Tuillier unter diesen für ihn eher ungünstigen Bedingungen nach Lugano zog, aber die Nachkriegswirren und die damalige allgemeine Unsicherheit in Italien machen diesen Entschluss gut verständlich.

Nachdem die San Giorgio S.A. di Navigazione im Jahr 1953 ihre Tätigkeit eingestellt hatte, verblieb Dr. Sebastiano Tuillier in Lugano bis zu seinem Lebensende. Für viele Jahre betrieb er seine Flotte im gleichen Büro an der Via Ariosto 1, Lugano, bis er neue Räumlichkeiten in der Nachbarschaft bezog.

In den sechziger Jahren konnte sich Dr. Sebastiano Tuillier einen Exklusiv-Vertrag zum Transport von Bauxit von Takoradi, Ghana zu den Aluminia Schmelzwerken in Burntisland, Schottland (am Nordufer des Firth of Forth, gegenüber von Edinburgh) und nach Newport, Wales (am Bristol Channel in der Nähe von Cardiff) sichern. Einige Quellen sagten, dieser Vertrag dauerte von 1959 bis in die späten sechziger Jahre, ungefähr 10 bis 12 Jahre, eine andere Quelle sagte von 01.04.1961 bis zum 18.05.1973. Angeblich war der Hauptgrund die verhältnismässig kleinen, alten Schiffe in der Flotte von Sebastiano Tuillier, die immer noch in den alten und daher engen Hafen von Burntisland einlaufen konnten.

Schiffe die im Hafen von Burntisland gesichtet wurden waren die EUGENIO und MARGA, die zwei "Empire Ships" ROBERTINA und UJE, sowie ACTIVITY, LOYALITY und SINCERITY alles konventionelle Motorfrachter und von P. Henderson & Co, Glasgow ("Paddy Henderson") angekauft.

Es wurde berichtet, dass der Vertrag nachher einem norwegischen Konsortium unter der Führung von Klaveness vergeben wurde, die "self-unloading bulk carriers" (selbstlöschende Massengutschiffe) benützten und das Bauxit auf Reede in Bargen löschten.

Die beiden Söhne traten schon früh in die Reederei ein, Eugenio Tuillier begann seine Arbeit im Büro im Jahr 1969. Als Eugenio bei seinem Vater anfing, wurde die Firma schon Borromini S.A. genannt und die Räumlichkeiten waren noch an der Via Ariosto 1, in Lugano, später wurden neue Büros an der Via Carlo Maderno 18 bezogen. Ein anderes Büro bestand in London, die Transtrade Shipping Ltd., Ludgate House, 110-111 Fleet Street, London.

Im Jahr 1978 erlitt Sebastiano Tuillier einen Hirnschlag, von dem er sich nie mehr erholte, bis er 1982 verstarb. Die beiden Söhne Natale und Eugenio Tuillier mussten nun die Geschäfte weiterführen und die Firma leiten. Noch vor dem Tod von Sebastiano Tuillier wurde beschlossen, die Flotte unter den beiden Brüdern aufzuteilen. In 1981 gründete Eugenio Tuillier die Intermarine SA, Lugano und in 1982 folgte sein Bruder Natale, der Tecnomar SA, Lugano ins Leben rief. Die Borromini S.A. wurde dann 1982 aufgelöst.

INTERMARINE S.A, LUGANO

Die Firma von Eugenio Tuillier startete ihre Geschäfte in 1981 an der Via Besso 41, in Lugano. Er erhielt aus der Flotte seines Vaters die LUGANO, die SAN SALVADOR. Die SAN SALVADOR war ein älterer Tanker von 19'000 DWT, gebaut 1959. Sie war in schlechtem Zustand und wurde aus diesem Grund schnell verschrottet.

Die Reederei war nur bis 1985 in Lugano im Geschäft, dann verlegte Eugenio Tuillier seine Flotte nach Monaco, wo er 1987 die Firma Arminter SAM, Monaco gründete.

TECNOMAR S.A. LUGANO

Diese Reederei gehörte Natale Tuillier und existierte von 1982 bis 1986. Das Büro befand sich oberhalb des Bahnhofs von Lugano an der Via Breganzona 16. Er erbte 3 Schiffe aus der Borromini Flotte, dies waren die LOCARNO, die EUGENIA I die FAIRNESS und die ROSSEL BAY. Die FAIRNESS war ein Massengutfrachter von 37'680 DWT, gebaut 1977.

Später wurden noch andere Schiffe angekauft oder in die Verwaltung genommen. Leider währte das Glück nur kurz, schon 1986 ging die Firma in Konkurs und Natale Tuillier selbst verlor sein Leben im Jahr 1996 bei einem Autounfall in Kroatien.

ARMINTER S.A.M., MONACO

Im Jahr 1985 zog Eugenio Tuillier nach Monaco und gründete zwei Jahre später die in Monaco registrierte Firma Arminter S.A.M. Monaco und die Schiffe der Intermarine wurden in die neue Firma eingebracht. Die Reederei ist noch heute im Geschäft und betreibt zur Zeit zwei grosse, moderne Massengutfrachter, siehe auch www.arminter.com

Wir danken Herrn Eugenio Tuillier und seinen Mitarbeitern bei Arminter, Monaco für ihre freundliche Unterstützung um diese interessante Geschichte zu schreiben.

 

AUSZÜGE AUS DEM LLOYD'S CONFIDENTIAL INDEX (LCI)

Diese "vertraulichen" Bücher geben folgende allgemeine Informationen:

Aus LCI 1967-12: Sebastiano Tuillier, Via Ariosto 1, Lugano (since 1934)

Agents: Purvis Shipping Co. Ltd. St. Clare House, 30-33 Minories, London

Fleet: 22 vessels

Aus LCI 1971-06: World Shipping S.A., Via Ariosto 1, Lugano (since 1969)

Agents: Purvis Shipping Co. Ltd. St. Clare House, 30-33 Minories, London

Fleet: 29 vessels

Aus LCI 1977-09: World Shipping S.A. c/o Internautical Service Establishment, Vaduz,

Liechtenstein (since 1969)

Agents: Transtrade Shipping Ltd., Ludgate House, 110-111 Fleet Street,

London, E.C. 4

Fleet: 19 vessels.

 

SwissShips, HPS, März 2014

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