Schiffsgeschichte
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Zusätzlich Informationen und Geschichten

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Die Werft Harland & Wolff Ltd., Belfast, erhielt am 5. November 1912 von der dänischen Acties Det Østasiatiske Kompanie, København (EAC, East Asiatic Company, Kopenhagen, Dänemark) den Auftrag zum Bau eines der ersten ölbetriebenen Motorschiffe. Ein Jahr zuvor 1911 hatte Harland & Wolff Ltd. mehrere Werften in Govan, Glasgow aufgekauft. Der Auftrag wurde deshalb an ihre Irvine Werft von Mackie & Thomson Ltd., Govan, Glasgow vergeben, Baunummer 451(I), das "I" steht für die Irvine Werft. Am 28. Februar 1913 konnte die m/s FALSTRIA, ein 6'690 DWT Stückgutfrachter mit Passagierkabinen für 22 Fahrgäste, auf Kiel gelegt werden und am 12. März 1914 fand der Stapellauf statt. Die erste Probefahrt erfolgte am 18. März 1915.

Die Übergabe an die Eignerin erfolgte am 31. März 1915. Die m/s FALSTRIA lief am 6. Juni 1915 aus Glasgow in Richtung New York aus und passierte danach den Panama Kanal für Honolulu, Dalny (das heutige Dalian in China) und Nikolajewsk. Auf der Rückreise nach Kopenhagen, lief sie San Francisco an und sollte Anschliessend durch den Panama Kanal fahren. Doch dieser wies einen zu niedrigen Wasserstand auf und so lief das Schiff wieder von Balboa aus, nachdem es vom 2. November bis zum 8. November gewartet hatte. Danach musste das Schiff via die Magellan Strasse nach Hull und Kopenhagen fahren. Die nächsten drei Reisen führten nach Ostasien, hauptsächlich nach Bangkok in Siam. Das Schiff fiel einmal durch das Fehlen eines Schornsteins, der drei Masten, sowie durch seine mit Öl betriebenen Motoren auf, die zwei Schrauben antrieben und zusammen eine Leistung von 2'250 IHP (1'650 BHP) erzeugten. Das Aussehen der Schiffe dieses Typs wurden auch mit dem folgenden Spruch kommentiert: "Three sticks no puff puff". Bei den Hauptmaschinen handelte es sich um zwei 6-Zylinder 4-takt, einfachwirkende Kreuzkopfmaschinen von Burmeister & Wain, Typ: 6150, Zylinderdurchmesser 558 mm, Hub 760 mm, gebaut unter Lizenz von Barclay, Curle & Co Ltd., Glasgow. Die Reisegeschwindigkeit betrug 10 Knoten. Für den Betrieb wurden 35 Mann benötigt (13 an Deck, 13 in der Maschine und 9 im Bordservice). Das Ladegeschirr bestand aus 10 Ladebäumen. Rufzeichen NTDL später OZWB.

Bei der dritten Ostasienrückreise musste das Schiff via Kapstadt, Freetown, Bergen, Lerwick, London, Sunderland, Lerwick und Bergen nach Kopenhagen zurückkehren.

Am 31. Dezember 1917 verlies die FALSTRIA Kopenhagen und wurde ausserhalb der Weltkriegszone eingesetzt.

Am 27. September 1919 lief sie erneut aus Kopenhagen in Richtung Bangkok aus und war bis auf eine Reise nach Südamerika, in diesem Liniendienst bis 1932 beschäftigt.

1932 ausgelaufen von Kopenhagen nach der Westküste von den USA und Kanada und führte von dort Transpazifik Reisen nach Ostasien durch.

1934 übernahm die Niederlassung von EAC in Bangkok das Management des Schiffes. Das Einsatzgebiet des Schiffes war nun im Ostasiatischen Raum. Am 16. September 1934 wurde die dänische Crew durch eine chinesische Besatzung ersetzt. Am 3. Juli 1936 verlies das Schiff im Auftrag der EAC ein letztes Mal Bangkok in Richtung Kopenhagen.

Dem dänischen Schiffsregister wird am 18. September 1936 der Verkauf der FALSTRIA gemeldet und aus dem Register gestrichen. Der neue Eigner heisst A/S Olymp, Panama (Management: Einar Lange, Oslo) und das Schiff wurde in OLYMP umbenannt. Mit der Registrierung unter panamesischer Flagge erhielt es das Rufzeichen HPGI.

1938 ging der Frachter an die Eignergesellschaft Yngvar Hvistendahl, Tønsberg, Norwegen welche ihn unter der Flagge Panamas mit dem neuen Namen MATROS betrieb.

Ein weiterer Verkauf erfolgte 1940 an die Norseland Steamship Co. Inc. Panama (Management: Odd Godager, Oslo). Mit dem Handwechsel wurde das Schiff in NORSELAND umbenannt.

Anscheinend im Sommer 1941 trat die Schweizerische Eidgenossenschaft, vertreten durch das Kriegs Transport Amt (KTA), Bern und vermutlich mit der Vermittlung der Schiffsmakler Honegger & Ascott, London in Verhandlungen mit den Eignern der NORSELAND um das Schiff zu kaufen.

Im Sommer 1941 befand sich die NORSELAND in Australien und am 31. Juli 1941 lief sie nach Noumea in Neu-Kaledonien (Südpazifik) aus um eine Ladung Erz zu übernehmen. In dieser Zeit wurde der Kaufvertrag unterschrieben mit der Auflage, dass die NORSELAND spätestens Ende Oktober in einem Hafen an der Ostküste der USA übergeben wird.

Am 26. August 1941 verlies die NORSELAND, Noumea um die lange Reise über den Südpazifik nach Balboa am Panama Kanal anzutreten, wo sie jedoch erst nach langen 48 Tagen auf See, am 13. Oktober 1941 eintraf. Nach dieser langen Seereise benötigten die altersschwachen Hauptmaschinen und vermutlich auch die Dieselgeneratoren dringend Reparaturen was mehrere Wochen in Anspruch nahm. Die Verkäufer und Käufer einigten sich auf ein neues Übergabedatum, den 11. Dezember 1941 in Philadelphia.

Schliesslich wurde das Schiff am 12. Dezember 1941 dem Kriegs Transport Amt (KTA), Bern, in New York übergeben und als Schiff Nr. 7 im Register der schweizerischen Seeschiffe eingetragen. Es erhielt es den Namen SAENTIS und das Rufzeichen HBDK.

Wieder waren umfangreiche Reparaturen an der Maschinenanlage nötig geworden und die SAENTIS konnte erst Anfang April 1942 New York verlassen um ihre erste Reise für die Schweiz anzutreten. Während der nächsten Reisen stellte sich heraus, dass die Hilfsdiesel für die Dynamos und Kompressoren zunehmend Probleme bereiteten. Das KTA beauftragte die Firma Gebr. Sulzer AG in Winterthur neue Hilfsdiesel zu liefern. Zu einem spätern Zeitpunkt wurden auch zwei neue Hauptmaschinen in Auftrag gegeben (siehe Bericht aus der "Sulzer Technical Review"). Da die Hauptmaschinen in einem sehr schlechten Zustand waren, wurde zuerst eine Totalrevision ins Auge gefasst, jedoch später erwies sich eine Erneuerung der Maschinen als die kostengünstigere Lösung. Die Firma Sulzer baute nun auch zwei neue Hauptmaschinen vom Typ 6TS48 (2 x 1'200 PS), sowie drei Hilfsmotoren vom Typ 3DDH 22 mit einer Leistung von je 220 PS, einen kleineren Hilfsmotor vom Typ 2ZG9 und zwei Kompressoren. Diese Maschinen holte die SAENTIS am 22. Mai 1943 in Genua ab und brachte sie nach Lissabon, wo sie in der Werft Companhia Uniao Fabril eingebaut wurden. Leider verzögerten sich aber die Arbeiten wegen eines achtmonatigen Streiks der Werftarbeiter so, dass das Schiff mit den neuen Maschinen Lissabon erst am 10. Februar 1944 für eine Reise zum Rio de la Plata und hinauf nach Rosario verlassen konnte. In Port of Spain, auf Trinidad, bunkerte das Schiff bei der damals wichtigen Bunker-Station Treibstoff (als Brennstoff wurde damals ausschliesslich Dieselöl verwendet).

Nach dem Krieg verkaufte das KTA am 12. Februar 1947 das Schiff für Sfr. 1'500'000.-- an die Nautilus S. A., Glarus, ein Preis, der für das alte Schiff, aber mit den neuen Maschinen als angemessen galt. Die Nautilus S. A., Glarus betrieb den Frachter weiter unter demselben Namen und unter Schweizer Flagge. Der Betrieb wurde vom Betriebsbüro in Lugano aus wahrgenommen.

Ab 1953 übernahm an Stelle der in finanzielle Schwierigkeiten geratenen Nautilus S. A., Glarus (Direktion Lugano) die Keller Shipping A. G., Basel, das Management.

1954 erfolgte der Verkauf des Schiffes an die Keller Shipping A. G., Basel, die das Schiff weiter im Liniendienst nach West-Afrika einsetzte.

Im Herbst 1962 machte der Frachter seine letzte Reise nach Westafrika und am 30. Oktober 1962 wurde die SAENTIS im Hafen von Genua aufgelegt, angeblich nach einer Kollision.

Am 30. September 1963 verkaufte die Keller Shipping die SAENTIS zur Verschrottung nach Italien. Das Schiff traf am 20. Dezember 1963 in Vado di Ligure ein (zwischen Genua und Savona), wo bereits am 23. Dezember 1963 mit dem Abbruch begonnen wurde.

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Zusätzliche Informationen und Geschichten:

Schwesterschiffe der m/s SAENTIS

Die m/s SAENTIS gehörte zu einer Serie von 5 kombinierten Fracht- und Fahrgastschiffen, bestellt von der East Asiatic Company in Kopenhagen (Acties Det Østasiatiske Kompanie, København) für ihren Liniendienst nach Bangkok, Thailand. Es waren die ersten Motorschiffe für den Einsatz im Überseedienst. Unmittelbarer Anlass für diese Bestellung war, dass man mit leichteren Motorschiffen die Frachtkapazität von ungefähr 5'000 Tonnen bei Dampfern auf rund 7'000 Tonnen steigern konnte, um über die Barre von Bangkok zu fahren.

Das erste grosse Motorschiff der Welt war die SELANDIA die am 17. Februar 1912 in Kopenhagen in Dienst gestellt wurde. Das Schiff wurde von der Burmeister & Wain Werft entworfen und gebaut. Es war ein Doppelschraubenschiff und die beiden 8-Zylinder vier-Takt Kreuzkopfmotoren waren ebenfalls Produkte von Burmeister & Wain, Kopenhagen.

Die folgenden Schiffe wurden in Dänemark und Grossbritannien bestellt und gebaut:

Name Bau Nr. Bauwerft Stadt Ablieferung
SELANDIA 276 Burmeister & Wain Kopenhagen 17.02.1912
FIONIA 277 Burmeister & Wain Kopenhagen März 1912
JUTLANDIA 490 Barclay, Curle Glasgow, UK 1912
FALSTRIA 451 H & W, Irvine Yard Glasgow, UK 31.03.1915
LALANDIA 452 H & W, Irvine Yard Glasgow, UK 1915

Die Hauptmaschinen der FALSTRIA und LALANDIA waren in Lizenz von Barclay, Curle & Co Ltd., Glasgow gebaute 6-zylinder Motoren und sie hatten eine geringere Leistung. Es scheint, dass die Werft grosse Probleme mit den metrischen Plänen aus Kopenhagen hatte und dänische Ingenieure die Schotten unterstützen mussten, um die Motoren zu bauen.

Wegen des ersten Weltkrieges wurde die LALANDIA von den britischen Behörden übernommen und nicht an EAC abgeliefert.

Eine ähnliche Maschine steht heute im Garten des Maritime Museums in Gdansk, Polen. Dieser Motor stammt von der 1914 von Burmeister & Wain abgelieferten ANNAM, der späteren, unter polnischer Flagge fahrenden ROMUALD TRAUGUTT. Diese 8-Zyl. Kreuzkopfmaschine ist 13,6 m lang, 4,45 m breit und 7,55 m hoch, sie hatte eine Leistung von 1'540 PS. Sehr interessant, wenn man die Grösse dieser Maschine mit den Abmessungen und Leistungen der heutigen Motoren vergleicht.

Zur Ehrenrettung von Gebrüder Sulzer in Winterthur muss man jedoch auch erwähnen, dass im Jahre 1910 schon der kleine italienische Küstenfrachter ROMAGNA (BRT: 678) mit zwei Sulzer Maschinen (2 Schrauben) in Fahrt gekommen ist. Sie ist aber leider schon am 24.11.1911 auf einer Reise mit Stückgut von Ravenna nach Triest, bei Rovigno im Adriatischen Meer gekentert und gesunken. Somit kann gesagt werden, dass beide, Sulzer und Burmeister & Wain für sich in Anspruch nehmen können, das "erste" Motorschiff gebaut zu haben.

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Rettungsaktion im Nordatlantik

Gemäss einem Bericht von ehemaligen Schweizer Seeleuten (erhalten von Kapitän Domingo Bücheler) rettete die SAENTIS am 3. Juni 1942 auf einer Fahrt nach den USA die 20 Mann Besatzung des kleinen schwedischen Frachters ANNA, der vor der Ostküste von Nordamerika von U-404 tags zuvor versenkt wurde. Ein Funkspruch von der SAENTIS lautete:

3 JUNI 1942 = LEFT BERMUDA TUESDAY, PICKED UP 20 MEN FROM SWEDISH STEAMER, SAENTIS

Der schwedische Dampfer ANNA, gebaut 1924 (1345 BRT nach "Lloyd's War Losses", 1574 BRT nach schwedischen Informationen), lief am 31. Mai 1942 in Norfolk VA nach St. Georges, Bermuda aus. Die Ladung bestand aus Kohle und zwei Motorbooten der US-Navy an Deck.

Am Abend des 2. Juni 1942 wurde ein Unterseeboot (U-404) an Backbord gesichtet. Zu dieser Zeit war es dunkel, nur ein schwacher Neumond beleuchtete die See. Das Schiff fuhr ohne Lichter, jedoch nach der Sichtung des U-Bootes wurden alle Lichter gesetzt und die U-Boot Besatzung musste die schwedische Flagge und andere Nationalitätszeichen erkennen. Ein weiter Grund war, dass die Besatzung die Rettungsboote besteigen konnte, denn das U-Boot begann ohne Verzug das Schiff mit der Bordkanone zu beschiessen. Die Boote kamen sicher zu Wasser und die gesamte Crew kam von der ANNA weg, ehe diese sank. Nach einer langen Nacht in den offenen Booten im Nordatlantik wurden die Seeleute von der SAENTIS aufgefischt und am 5. Juni 1942 in Brooklyn an Land gegeben. Drei Mann mussten ins Spital eingeliefert werden.

Ein Schweizer Seemann, Otto Luem, genannt "Otto der Seefahrer" war Schmierer an Bord. Kurz vorher hatte er in den USA mit vier anderen Seeleuten vom Schweizer Schiff CALANDA wegen der "schlechten Bedingungen an Bord" abgemustert. Zum Abschied luden die Fünf noch den Funker zu einem Spaghettiessen an Land ein und wohl nach einigen Gläsern Chianti erklärte Otto feierlich "ich werde nie mehr einen Fuss auf das Deck eines Schweizer Schiffes setzen".

Otto musterte nun auf dem "guten" Schweden ANNA an, aber das Glück dauerte nur einige Tage. Als die Rettungsboote nach vielen Stunden gesichtet wurden, musste er zu seinem Schrecken feststellen, dass "SWITZERLAND" auf der Bordwand ihres rettenden Schiffes stand. Wir vermuten, Otto war vielleicht trotzdem froh, nochmals einen Fuss auf ein Schweizer Schiff zu setzen.

Einen Tag vor Ankunft in New York, rettete die SAENTIS noch 18 Überlebende in einem Rettungsboot des amerikanischen Frachtdampfers WEST NOTUS. Die andern 18 Mann in einem zweiten Boot wurden schon zwei Tage vorher vom griechischen Dampfer CONSTANTINOS H aufgefischt. Die WEST NOTUS wurde auch von U-404 mit der Bordkanone und mit an der Bordwand angebrachten Sprengladungen versenkt.

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Probleme mit der Hauptmaschine (von Sämi Christen)

Mit dem ältesten Motorschiff der Welt, der m/s SAENTIS waren wir unterwegs vor der Küste von Westafrika. Wir wussten, dass dies die letzte Reise des ehrenwerten Schiffes war. Egal ob letzte Reise oder nicht, wir machten unseren Job, das heisst, die Maschinencrew (zu 100 % Schweizer) hielt die Maschine auf Trab und der gesamte Maschinenraum war blitzblank.

Es geschah irgendwann im September 1962 (genaues Datum nicht feststellbar) nach Mitternacht, ungefähr so nach ein Uhr. Um Mitternacht hatten wir, der 4te Maschinist (terzo di macchina) Däschler und ich der Motormann, die Wache an unsere Nachfolger der 00/04 Wache (Hundswache) übergeben. Walter Brand war damals 3ter Maschinist (secondo di macchina). Auf der SAENTIS hatten die Matrosen, Reiniger und Motorleute ihre Kojen auf dem Achterschiff. Nach einem Feierabendbier begab ich mich nach achtern um meinen wohlverdienten Schlaf anzutreten.

Ich war gerade dabei unter die Decke zu schlüpfen, als vom Maschinenraum her ein unheimlicher Lärm mit starkem Geknalle über das Schiff dröhnte. Nichts wie los wieder in die Hosen und zurück in den Maschinenraum. In Richtung Mittschiffs eilend, sah ich schon recht starken Rauch aus dem Skylight und aus den Lüftungsrohren entweichen. Einige italienische Seeleute die mittschiffs wohnten und vom Lärm aus ihren Kojen getrieben wurden, rannten wild fuchtelnd auf Deck herum und schrien: "Fuoco in macchina, fuoco in macchina!" (Feuer in der Maschine)!

Inzwischen schickte W. Brand seinen Assistenten hinauf um den Leitenden Ingenieur zu wecken. Das war natürlich nicht nötig, denn dieser kam gerade den Gang entlang gelaufen und fragte den Assi was denn in der Maschine los sei. Dieser antwortete halb stotternd: "Die Kolben lampen oben raus! (Die Kolben hängen oben raus)" Herr Schütz noch schlaftrunken wiederholte ungläubig seine Frage. Der Assi wiederholte unverdrossen: "Die Kolben "lampen" (hängen) oben raus."

Von oben in den Maschinenraum schauend, war durch den Rauch zu erkennen, dass der Maschinist W. Brand an der Backbordmaschine beschäftigt war. Da der Lärm inzwischen verschwunden war, durfte man annehmen dass der Maschinist die Lage jetzt im Griff hatte. Durch die Rauchschwaden hindurch stiegen wir in den Maschinenraum. Da die SAENTIS über zwei Hauptmotoren verfügte, bemerkte ich, dass der Backbordmotor jetzt abgestellt war, dass jedoch der Steuerbordmotor normal weiterlief.

Der Rauch verzog sich langsam und man durfte feststellen dass die gesamte Maschinenbesatzung vor Ort war, bereit um entstandenen Schaden zu beheben. Der Wachthabende Maschinist W. Brand hatte das Problem bereits im Griff und forderte uns auf mitzukommen auf die Zylinderstation. Er zeigt auf den Zylinder 3 vom Backbord-Hauptmotor und erklärte: "Da hat es bei der Einspritzdüse die zwei Festhaltebolzen abgerissen." Die Einspritzdüse hatte es deshalb durch die Kolbenkompression nach oben aus der Düsenbohrung hinausgeschleudert, blieb jedoch an den Kühlöl- und Brennstoffleitungen hängen. Aus dieser Position spritzte die Düse weiterhin bei jeder Motorenumdrehung Brennstoff über die Zylinderköpfe. Ein Teil dieses Brennstoffnebels wurde vom Kolben in den Zylinder gesaugt, um dann gleich wieder mit voller Wucht aus der Düsenbohrung gepresst zu werden, was jedes Mal eine unheimliche Stichflamme in den Maschinenraum verursachte. Obwohl W. Brand den betreffenden Hauptmotor sofort abstellte, erfolgten noch mehrere Stichflammen bis der Motor effektiv zum Stillstand kam.

Sogleich wurde die Arbeit zur Schadensbehebung aufgenommen, die gebrochenen Gewindebolzen wurden ausgebohrt und durch neue Bolzen ersetzt. Nachdem eine Ersatzdüse eingebaut war, konnte nach ungefähr einer Stunde die Fahrt wieder normal fortgesetzt werden.

Das war ein kleines lehrreiches Intermezzo bei der letzten grossen Fahrt des 47 jährigen Schiffes m/s SAENTIS. Am 5. November fuhr das Schiff in Genua ein. Nach dem Löschen wurde sie an die Kette gelegt und für das Verschrotten vorbereitet.

Als letztes Besatzungsmitglied habe ich am an der Kette liegenden Schiff noch einige Tage die Hilfsdiesel in Betrieb gehalten, damit die Hafenarbeiter ihre Arbeit an Bord ausführen konnten. Als Ersatz für die SAENTIS, kaufte Keller Shipping den alten Liberty Dampfer S/S NEVADA wohin ich sogleich ummustern musste. Das bedeutete wieder eine neue Herausforderung verbunden mit viel lehrreicher Arbeit."

SwissShips-ST-HPS-SC-MB, April 2012

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