Schiffsgeschichte
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Diesen kleinen Frachter erbaute 1955 die AG Weser, Seebeckwerft in Bremerhaven, Westdeutschland für die Nord-Ost Reederei GmbH. (Management: Unterweser Reederei A.G., Bremen). Das Schiff erhielt den Namen KLAUS und fuhr unter Westdeutscher Flagge mit Heimathafen Hamburg (Rufzeichen: DIJF).

Am 19.12.1959 kaufte die Luby Trading & Shipping, Monrovia das Schiff, der Eigner war ein Herr B. Yarisal aus der Türkei (gestorben 1982), der in Genf wohnte und die Firma Bay Shipping S.A. Genf betrieb. Dieses war sein erstes Schiff, er registrierte es unter der Flagge von Liberia und taufte es LINORA (Offizielle Nr.: 1340. Rufzeichen: 5LXWA)

In 1966 kaufte die Keller Shipping AG, Basel das Kümo, angeblich betrug der Kaufpreis ungefähr 80‘000.- Britische Pfund. Am 22.06.1966 mit dem Namen MURTEN unter Schweizer Flagge registriert (Offizielle Nr.: 77. Rufzeichen: HBDM), somit das zweite Schiff der Reederei mit diesem Namen. Murten ist eine zweisprachige Stadt westlich von Bern am gleichnamigen See und der Ort einer grossen Schlacht im Mittelalter.

Die MURTEN wurde im Liniendienst der Keller-Lines zwischen Italien (Genova, Livorno, Marina di Carrara, Savona), Frankreich (Marseille, Port St. Louise du Rhone, Sète), Algerien, Marokko (Casablanca), Spanien (Mittelmeer Häfen und Vigo) und Portugal eingesetzt. Die Besatzung von 12 Mann waren hauptsächlich Italiener.

Als Ladung fuhren die Keller-Lines grosse Marmorblöcke von Marina di Carrara nach Portugal, aber auch Marmorblöcke anderer Qualität von Portugal zurück nach Marina di Carrara. Von Italien und Frankreich Stückgut und von Portugal und Spanien grosse Mengen von Korkrinde und Sardinen in Dosen.

Am 26.07.1979 verkaufte Keller Shipping das Schiff an Haladi Shipping Corp., Panama, ein Eigner aus dem mittleren Osten. Umbenannt auf HALADI I segelte sie jetzt unter der Flagge von Panama (Offizielle Nr.: 8432-PEXT-1.Rufzeichen: HO-6115).

In 1985 weiterverkauft an Rambaran Trading & Shipping Co. Ltd., Kingstown, St. Vincent and The Grenadines und umbenannt auf HENRY R III. Rambaran Shipping war eine Firma aus Georgetown, Guyana und es muss angenommen werden, dass der Frachter in der Karibik eingesetzt wurde.

Gelöscht im Lloyd's Register of Ships am 21.11.2011. Verbleib unbekannt.

SwissShips, HPS, MB, August 2020

 

Zusätzliche Informationen und Geschichten
Als Maschinist auf der MURTEN, 1969/70 von H.P. Schwab

Im August 1970 ist der Primo Macchinista (1. Maschinist) auf der MURTEN in Genua krank abgemustert und der Inspektor Gerhard Baumberger hat mich von der NEVADA auf die MURTEN geschickt. Auf meinen Einwand, ich könnte ja gar kein Italienisch meinte er nur trocken „Nun, dann können sie es dort lernen, sie bleiben für mindestens zwei Monate an Bord, dann sehen wir weiter“. Es wurden dann ungefähr zehn Monate bis Ende Mai 1971, als ich in Lissabon abmusterte.

So bin ich dann auf die MURTEN gekommen und ich kann nur sagen, hier war ein tolles Fahren gewesen, ganz anders als auf den grossen Dampfern. Die Besatzung bestand aus 12 Mann und das Leben an Bord war meistens geruhsam, normalerweise gab es immer eine Nacht im Hafen, in Genua, Casablanca und Lissabon sogar 2 bis 3 Nächte.

Besatzung:
1 Comandante (Kapitän) 
1 Direttore di macchina (Chief Engineer), auf kleinen Schiffen Capo genannt
1 Primo ufficiale di coperta (1. Steuermann)
1 Secondo ufficiale di coperta (2. Steuermann)
1 Primo ufficiale di macchina (1. Maschinist)
1 Secondo ufficiale di Macchina (2.Maschinist)
1 Nostromo (Bootsmann)
3 Marinai (Matrosen)
1 Cuoco (Koch)
1 Ingrassatore (Motormann)

Total: 12 Mann

Der Kapitän meinte zur Begrüssung, „wenn dir der italienische Frass nicht schmeckt, sag es dem Koch, er soll dir ein Steak machen“ allerdings musste ich von diesem Angebot nie Gebrauch machen, dass Essen war immer vorzüglich.

Das Leben an Bord war angenehm und entspannt, einzig auf See war es auf dem kleinen Schiff meistens rau und holperig. Es wurden drei Wachen gegangen, der Alte und der Capo gingen die 08-12 Wache, d.h. der Capo liess meistens den Motormann unten, während er meistens in der Kabine sass oder in der kleinen Werkstatt mit Basteln verweilte. Reparatur- und Überholarbeiten wurden gewöhnlich nur im Hafen gemacht, auf See lief man normalerweise nur Wache. Unsere längsten Seetörns waren von Barcelona nach Casablanca und von Sevilla nach Frankreich, ungefähr 3 Tage. In Italien und in Lissabon war nur Wache angesagt. Nach Ankunft in Italien ging der Capo nach Hause nach Savona. Desgleichen in Lissabon, da verschwand er und kam erst kurz vor Auslaufen wieder an Bord, kein Mensch wusste, was er die ganze Zeit über in der Stadt trieb, aber wahrscheinlich hatte er eine Freundin. Der spanische Ingrassatore haute auch ab, er wohnte irgendwo bei Vigo auf einem Bauernhof und kam erst wieder in Leixoes oder Vigo. Meistens brachte Julio dann selbstgemachte Würste, Oliven, geräucherten Schinken oder eine Flasche Schnaps, dafür blieb er für den Rest der Reise immer an Bord. Auch der secondo macchinista aus Marina di Carrara genoss seine Auszeit bei seiner Freundin in Carrara. Bei den Decksleuten lief das ungefähr auf die gleiche Tour, auch sie hatten ihre Ruhezeiten zu Hause.

In der Offiziersmesse sassen wir an einem grossen Tisch, immer in sauberen Klamotten und normalerweise ging es sehr gesittet zu und her. Gegessen wurde erst, wenn alle am Tisch sassen, dann servierte der Koch das Essen. Zwei Themen jedoch konnten zu aufgeregten und hitzigen Diskussionen führen, Fussball und Mussolini. Beim Fussball waren die einen für Juventus Turin und die Anderen für Inter Milano. Bei Mussolini verteidigte der alte Capo den Duce, der Rest widersprach und hackte auf ihn ein. Im Hafen von Livorno meinte der Capo beim Anblick der kaputten Hafenkräne „wenn Mussolini noch leben würde, wären alle diese Kräne repariert und in Betrieb. Und bei mir zu Hause müsste ich die Wohnungstür nicht zweimal abschliessen, ich könnte sie offen lassen, nichts käme weg“. Wenn der Koch einen grossen Fisch zubereitete, glaubte der Capo, es wäre sein Recht, den Kopf zu erhalten, seiner Ansicht nach, der beste Teil vom Fisch. Wenn der Kopf weg war, machte der Capo ein grosses Geschrei und Geschimpfe, beruhigte sich aber schnell.

Nach ungefähr vier Monaten meinte der Alte „du bist immer an Bord, während wir nach Hause gehen, geh doch auch mal nach Hause in die Schweiz, der Capo ruft dich dann an“. Also gesagt, getan, bei Ankunft Savona fuhr ich mit der Bahn nach Hause und nach einer Woche bestellte mich der Capo wieder an Bord. An einem schönen Morgen marschierte ich mit meiner Tasche in Genua zum Schiff, an der Gangway stand zu meinem Schrecken der Inspektor Bärtschi, statt eines befürchteten Donnerwetters meinte er nur „na haben sie einen schönen Urlaub gehabt?“ Somit war klar, diese Auszeiten gehörten zum ungeschriebenen „Deal“ mit der Reederei. Auf dieser Küstenfahrt verdiente man auch weniger als auf den Schiffen der Nautilus-Line auf grosser Fahrt, aber alle diese verheirateten Leute legten viel Wert auf eine regelmässige Zeit zu Hause (übrigens auf dem deutschen Kümo herrschte ungefähr das gleiche System).

Im Hafen, nachdem die Ladungsarbeiten am Abend beendet und die Leute geduscht waren, stellte man den Dieselgenerator ab, die wenigen, batteriegespeisten Glühlampen verbreiteten dann nur noch ein kümmerliches Licht. Meistens gingen alle an Land, nur ein Mann blieb als Deckswache zurück. Damals Herrschten noch der „böse“ General Franco in Spanien und der „böse“ Salazar in Portugal, für uns eine gute Zeit. Im Restaurant «scharwänzelten» jeweils wohl ein halbes Dutzend, wie aus dem Ei gepellte Kellner um unseren Tisch. Beim Bestellen schloss ich mich jeweils den Anderen an, es gab dann meistens nur Fisch und anderes Meeresgetier, so lernte ich diese Gerichte lieben und schätzen. Der Fundador wurde noch fast zeremoniell serviert und die Gläser am Tisch vorgewärmt.

Angeblich aus Sicherheitsgründen installierte man auf meiner letzten Reise einen Hafendiesel im Maschinenschacht, der natürlich einen fürchterlichen Lärm erzeugte. Anstatt das Ding wie auf anderen Kümos unter der Back aufzustellen, sparte sich die Reederei so eine teure Kabelleitung von vorne zum Achterschiff.

Am Morgen des 16.02.1971 verholte die MURTEN in Marseille von der Reede zur Pier, als plötzlich die Maschine nicht mehr auf „Rückwärts“ umsteuerte. Das Schiff knallte in die Pier und drückte sich den Vorsteven über der Wasserlinie ein. Die Reparatur bescherte uns drei zusätzliche Tage im Hafen, schade, dass es nicht in Lissabon geschah, das wäre wie ein Sechser im Lotto gewesen. Das Umsteuer Problem hatte sich schon ungefähr zwei Wochen vorher angekündigt, ein- oder zweimal in einem italienischen Hafen, konnten wir nur nach mehrmaligem Versuch umsteuern, aber da alle an Land wollten, hatten wir uns nicht um den Fall gekümmert. Nun, glücklicherweise war Marseille für uns kein grosser „Landgangshafen“ somit hatten wir Zeit, den Ursachen nachzugehen. Unter dem Umsteuerhebel befand sich eine Steuerscheibe mit ausgefräster Kurvennut, die von einem Stift (ungefähr 8-10 mm Durchmesser) bewegt wurde. Dieser Stift war gebrochen und je nachdem nahm er den Rest mit und steuerte um – oder eben nicht. Es ist anzunehmen, dass sich der Capo gut aus der Affäre gezogen hat, jedenfalls hörten wir nie mehr was über diese missliche Geschichte. Für mich war es eine Lehre, solche Ankündigungen in Zukunft nicht auf die leichte Schulter zu nehmen.

Lange bevor unsere lieben Freunde im Norden überhaupt auf die Idee kamen, den Abfall von den Schiffen im Hafen einzusammeln, hatten die Italiener in Livorno und Genua schon einen Kehrricht-Sammeldienst eingerichtet. Alte hölzerne Bargen kamen längsseits und die Matrosen konnten die am Heck hängenden „Shitfässer“ (Fullbrass) leeren. Die Barge-Leute in Livorno brachten uns einen kleinen Hund, der bald zum Liebling des Kapitäns und der Besatzung wurde. Ab und zu schlabberte er auch gerne mal einen Schluck Bier. An einem Morgen entwischte er in Sevilla auf die Pier und bellte einen fahrenden Sattelschlepper an, leider war der junge Hund unerfahren mit dem Autoverkehr und kam unter die Räder des Anhängers. Mit schweren Verletzungen hauchte er in den Armen des Kapitäns sein Leben aus und erhielt ein „Seemannsbegräbnis“ vom Heck unseres Schiffes.

War etwas nicht in Ordnung an Bord, sagten die Italiener „Hei Svizzero, sag mal dem Inspektor ..., auf uns hört er eh nicht“. Wenn dann gegen die Mittagszeit der Inspektor Bärtschi «angedackelt» kam, musste ich ihm dann erzählen was alles nicht stimmte an Bord, z. B. dass die Heizung schon seit geraumer Zeit nicht mehr richtig arbeitete, etc. etc. Der arme Mann, der eigentlich nur ein gutes Mittagessen bei uns geniessen wollte, musste sich dann mein Gemotze anhören, was ihm offensichtlich gar nicht behagte. Eines Abends traf ich den Bärtschi in der „Texas Bar“, er bezahlte mir einige Biere und labberte zwei Stunden auf mich ein. Der Rede kurzer Sinn, er meinte „Statt nur zu motzen, gehen sie in die Seefahrtsschule dann können Sie nachher auch reklamieren“. So hatte ich es dem Herr Bärtschi zu verdanken, dass ich mich durchringen konnte, nach England in die Schule zu gehen.

SwissShips HPS im August 2020