Schiffsgeschichte
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Der kleine 850 Tonnen Küstenfrachter MISOX wurde 1949 von der italienischen Werft Cantieri Navali Marizio & Bertani Benetti in Viareggio (zwischen La Spezia und Livorno) gebaut. Der Name Misox (Valle Mesolcina)benennt das Tal südlich des San Bernardino Passes, ist italienischsprachig und gehört zum Kanton Graubünden.

Die MISOX mit Baunummer 15 war ähnlich oder sogar ein Schwesterschiff der vorher gebauten LAUPEN (Baunummer 13) von Keller Shipping AG Basel. Am 1. August 1949, dem Schweizer Nationalfeiertag erfolgte der Stapellauf und wie einige Schweizer Zeitungen bemerkten, wurde der auch von einigen Schweizer Touristen neugierig verfolgt. Am 20.09.1949 wurde der Frachter an die Basler Reederei BRAG Maritime AG übergeben, eine Tochtergesellschaft der BRAG (Basler Rheinschiffahrt AG). Mit der Registrierung unter Schweizer Flagge erhielt die MISOX das Rufzeichen HBDT. Als Antrieb diente ein 6-Zylinder Dieselmotor von Ansaldo, welcher eine Leistung von 600 PS erbrachte. Die Reisegeschwindigkeit betrug 11 Knoten. Ladebäume: 1 x 4 ton SWL (Safe Working Load), 2 x 2 ton SWL. Das Schiff hatte nur zwei Schotten, das Maschinenraum- und das Kollisionsschott vorne, auch ein Doppelboden fehlte, dadurch war der kleine Frachter besonders gefährdet im Falle einer Grundberührung.

Der kommerzielle Betrieb wurde der Keller Shipping, Basel übergeben, die das Schiff im Mittelmeer einsetzte, hauptsächlich auf ihrer "Keller-Lines" von Genua nach Nordafrika (Tunis, Algier, Oran, Tanger, Casablanca) bis Portugal und nach Tenerife, aber auch zwei Fahrten ins östliche Mittelmeer nach Haifa und Beirut wurden unternommen. Die technische und personelle Betreuung erfolgte anscheinend durch die BRAG selber. 
Die Besatzung bestand aus 11 Mann, etwa 2 bis 4 Mann waren Deutsche, der Rest Italiener, mehrheitlich aus der Gegend von Viareggio. Erster Kapitän war der Schweizer Edgar Freiherr von Salis-Soglio, geb. 1912, ein Bündner, der jedoch auch die deutsche Staatsbürgerschaft besass. Er begann seine Seefahrtszeit auf den grossen deutschen Segelschiffen, die um Kap Hoorn nach Chile segelten. Anscheinend war Kapitän von Salis-Soglio der Stammkapitän, als Bewunderer "des Reiches" genoss er wohl das Vertrauen von Fritz Ritter. Wissenswert sind wohl auch die damaligen Heuern, der Kapitän erhielt 1300.- Schweizer Franken, der erste Steuermann noch 600.- Franken und ein Matrose 297.- Franken, plus 68.- Franken Überstundenvergütung. Auch der spätere, langjährige Kapitän bei Keller Shipping, Gerhard Gräper ist auf der MISOX als Bootsmann und als 2. Offizier gefahren.

Die MISOX erlebte vermutlich viele Probleme, schon einige Tagen nach der Indienststellung am 26.09.1949 touchierte das Schiff nach einer Maschinenpanne im Hafen von Genua das italienische Motorschiff ESPERIA aus Trapani. Zweimal lief das Schiff auf Grund, das erste Mal am 25.05.1951 bei Ras el Kanais in Ägypten und ein gutes Jahr später am 26.08.1952 bei Punta Cires, östlich von Tanger (siehe unten).

Die MISOX wurde offenbar kein grosser kommerzieller Erfolg beschert, schon am 17.10.1952 wurde sie an die Keller Shipping, Basel, verkauft, die ihr den Namen GRANDSON gab. Sie verblieb weiterhin unter Schweizer Flagge und behielt sowohl die ursprüngliche Registernummer 27, wie auch das Rufzeichen HBDT. Sie fuhr weiterhin im Liniendienst im westlichen Mittelmeer, aber jetzt mit  italienischer Mannschaft.

Nach über 10 Jahren Dienst bei der Keller Shipping AG kaufte die Eraclea S.p.A., Palermo, am 08.01.1963 die GRANDSON und nannte sie nunmehr SPRINT. Sie stellte sie unter italienischer Flagge in Dienst und liess sie im Schiffsregister von Palermo eintragen, Rufzeichen: IUQZ. In den folgenden Jahren fanden noch mehrere Eignerwechsel statt, 1969 kaufte der Reeder Umberto Scolaro in Genua das Schiff und nannte es GIULIA (Registerhafen: Genova), 1971 ging die GIULIA ohne Namenwechsel an die sardische Reederei Capo Sandalo S.p.A., Cagliari, (Registerhafen: Cagliari). 1973 wurde der Frachter wiederum an eine italienische Reederei, die Compagnia di Navigazione Navalsette in Bari verkauft, wo sie unter dem Namen LYRA registriert wurde.

1974 ging das Schiff in griechische Hände. Neue Eignerin wurde die Hellenic Maritime Co. Ltd. in Piräus, welche sie mit dem Namen FANI im griechischen Schiffsregister in Piräus registrieren liess, Rufzeichen: SV2398. Diese Reederei verkaufte den Frachter 1977 an die Reederei Hatijyannakis & Others, Piräus, welche ihm den Namen SAN NICOLA gab. 1981 ging er an eine weitere griechische Reederei über, an die Mytilene Shipping Ltd. in Piräus.

Diese verkaufte das Schiff 1982 an die Ladybird Maritime Co. S.A., Panama. Mit der Registrierung unter panamesischer Flagge erhielt das Schiff von der neuen Eignerin den Namen CAT, Rufzeichen: HO6794. Seither ist über das weitere Schicksal dieses Frachters nichts mehr bekannt.

SwissShips, MB, HPS, Januar 2016

Zusätzliche Informationen und Geschichten

Strandung bei Ras el Kanais, Ägypten, Mai 1951

Am 22.05.1951 verliess die MISOX, den israelischen Hafen Haifa mit Bestimmung Tobruk, Libyen, eine Distanz von ungefähr 560 Seemeilen, somit etwa 2,5 Tage Seezeit bei 10 Knoten. Kapitän von Salis-Soglio befand sich zu Hause im Urlaub und das Schiff fuhr unter dem Kommando von Kapitän Gerhard Theune, des vorherigen ersten Steuermannes. Die Ladung bestand aus Olivenöl in Fässern, sowie Orangen und Milch in Kisten. Das Wetter war gut und die See ruhig. Der Leser mag sich wundern, dass ein Schiff Güter von Israel direkt nach Libyen bringen konnte, doch zu jener Zeit war Libyen noch unter britischer Kontrolle, die erst im Dezember 1951 endete.

In der Nacht vom 24. auf den 25. Mai 1951 kam jedoch dichter Nebel auf und die Sicht wurde immer schlechter. Um 00:30 lief die MISOX auf den Sandbänken vor Ras el Kanais auf Grund. Ras el Kanais (Ras = Kap Kanais) befindet sich ungefähr 120 Seemeilen westlich von Alexandria und der Kapitän gab in seinem Unfallbericht eine Position 31° 06' Nord / 027° 52' 30'' Ost. Als Grund vermutete man eine starke Versetzung nach Süden durch unbekannte Strömungen.

Die Besatzung versuchte das Schiff mit der Hauptmaschine freizubekommen, leider blieben die Bemühungen erfolglos. Am 27.05.1951 kamen zwei Inspektoren von Lloyd's Agency in Alexandria, die Herren F.G. Shephardson und L. Stamford an Bord um die Lage zu beurteilen und den Kapitän mit gutem Rat zu unterstützen.

Die Reederei in Basel erhielt vom Schiff und aus Alexandria anscheinend nur vage Informationen, aber man wusste, dass der Proviant an Bord zur Neige ging. Kurz entschlossen, sandte die Geschäftsleitung Kapitän von Salis wieder zurück an Bord. Mit der Swissair flog er über Kairo nach Alexandria. Über die griechische Agentur und einen griechischen Schiffshändler in Alexandria organisierte er noch dringend benötigten Proviant, dann schickte die Agentur den Kapitän mit dem Proviant auf den langen Weg durch die Wüste zum Schiff. Die Küstenstrasse war noch gesäumt von den Überbleibseln der schweren Panzerschlachten, die sich Feldmarschall Rommel und  Feldmarschall Montgomery geliefert hatten. Am Strassenrand lagen Soldatenfriedhöfe und zahlreiche Schilder warnten vor ungeräumten Minenfeldern. Leider strandete die MISOX in der Nähe einer Ferienvilla von König Faruk und der Strand wurde von Soldaten bewacht, die dafür sorgten, dass niemand seinen Fuss auf den Strand setzte und unerlaubt an Land ging. Bei Ankunft des Kapitäns watete ein Teil der Mannschaft auf den Sandbänken neben dem Schiff und versuchte Muscheln und Krebse zu sammeln.

Am Morgen des 05.06.1951 traf der griechische Bergungsschlepper VERNICOS IRINI aus Piräus kommend ein und ankerte vor der Unglückstelle. Mit Hilfe von Lloyd's wurde ein Bergungsvertrag abgeschlossen, unterschrieben von den beiden Kapitänen.

Nun wurden Arbeiten zum Leichtern des Schiffes in Angriff genommen, die Anker und Ketten wurden auf Grund gefiert und Triebstoff auf den Schlepper transferiert. Der Schlepper konnte kaum längsseits gehen, sonst wäre er selbst auf Grund gegangen und ankerte in sicherer Distanz. Leider schrieb der Kapitän in seinem Bericht nicht, wie das vonstatten ging, sondern nur "in verschiedenen Anläufen". Ob sie dabei eine Schlauchleitung durch das Wasser legten oder das Dieselöl mühsam in Fässern mit den Rettungsbooten zum Schlepper rudern mussten, entzieht sich unserer Kenntnis und wird wohl für immer ein Geheimnis bleiben. Aus leeren Fässern, den hölzernen Lukendeckeln und aus einem Holzvorrat (um Getreidefeeders zu bauen) wurden Flösse gebaut und Ladung vermutlich an den Strand gebracht (auch dies bleibt unklar). Bei diesem Unternehmen fielen auch einige Kisten ins Wasser und gingen verloren. Sogar sechs gebrauchte Zylinderbüchsen der Hauptmaschine wurden ins Wasser geworfen (man fragt sich, wie es kommt, dass man nach einer kurzen Fahrzeit von nur ungefähr einem Jahr und acht Monaten schon gebrauchte Büchsen hatte, das deutet auf Maschinenprobleme hin). Ein Taucher sprengte unter Wasser noch einige Felsen und Steine, wobei der Rumpf stark geschüttelt wurde, die Radioausrüstung Schaden erlitt und der Magnetkompass seinen Geist aufgab.

Der Schlepper unternahm verschiedene Anläufe den gestrandeten Frachter freizuziehen, wobei auch einige Schleppleinen rissen. Endlich am 19.06.1951 morgens um 10:00 kam die MISOX wieder frei und ankerte in tieferem Wasser. Zuerst überprüfte man, ob kein Seewasser in den Rumpf eindrang, dann musste die geleichterte Ladung wieder an Bord gebracht werden.

In den frühen Stunden des 21.06.1951 um 03:30 setzte die MISOX endlich ihre  Fahrt nach Tobruk fort, das sie einen Tag später um 06:00 morgens erreichte, um zu löschen und eine volle Ladung Kriegsschrott für Genua an Bord zu nehmen.

Kapitän von Salis schreibt in seinem Buch, dass man auf Druck der Behörden gezwungen wurde, ein Trockendock in Alexandria oder in Port Said zu buchen, dann erst gaben sie die anscheinend vorher eingezogenen Schiffsdokumente wieder zurück an Bord. Nachdem die MISOX die Unglückstelle verlassen hatte, setzte man zuerst Kurs nach Alexandria, aber auf sicherer Distanz zur Küste wechselte man den Kurs Richtung Tobruk in Libyen.

Der in italienischer Sprache geschriebene und vom schweizerischen Konsulat in Genua abgestempelte Kapitänsbericht von Gerhard Theune scheint uns in vielen Belangen unvollständig abgefasst zu sein und auch Kapitän von Salis beschriebt diese Episode mit viel dichterischer Freiheit und unvollständig. Personen die Edgar von Salis persönlich gekannt und mit ihm gearbeitet haben, beschreiben ihn als seriösen und integeren Mann. Somit ist obige Geschichte wohl nicht in allen Belangen vollständig wahrheitsgetreu, aber im Grossen und Ganzen hat es sich ungefähr so zugetragen.

Quellen:

  • Schweizerisches Bundesarchiv, Bern, Kapitänsbericht
  • Buch "Über die Meere der Welt - Ein Kapitän erzählt" von Edgar Freiherr von Salis-Soglio, Koehlers Verlagsgesellschaft mbH, Herford, Deutschland

Aufgelaufen bei Punta Cires, Tanger, August 1952

Ein gutes Jahr später befand sich die MISOX unterwegs von St. Louis du Rhône nach Casablanca mit einer Ladung Stückgut, sowie zwei Lastwagen und Gaszylindern auf Deck. Nach einem wunderschönen Tag kam am Abend dicker Nebel auf und die MISOX fährt mit stark reduzierter Fahrt, da kein Funkpeiler und kein Echolot an Bord vorhanden ist. Zwei Mann halten Ausguck auf der Back. Kurz nach Mitternacht am 26.08.1952 läuft das Schiff auf steinigen Grund auf. Die Position war 35° 54' 47'' Nord / 005° 25' 52'' West, bei Punta Cires östlich der Hafenstadt Tanger an der marokkanischen Küste. Wasser läuft in den Laderaum und ein Teil der Stückgutladung wird schwer beschädigt oder zerstört, eine Partie Soda in Säcken löst sich im Wasser auf.

Der englische Bergungsschlepper HERCULES läuft am nächsten Morgen in Gibraltar aus und eilt zur Unfallstelle, die er gegen 10:00 erreicht. Ein Taucher untersucht den Schiffsrumpf und dichtet einige kleinere Löcher ab. Bergungspumpen werden auf den Havaristen gebracht um den Laderaum zu lenzen. Der Schlepper SEAGULL verlies Gibraltar mit einem Leichter um einen Teil der Ladung zu übernehmen um die MISOX zu leichtern. Nachdem der Schlepper die MISOX wieder flottgemacht hat, nehmen die beiden Schiffe Kurs nach Gibraltar. Die MISOX fährt mit eigener Kraft nach Gibraltar, wird dort gelöscht und in ein Trockendock gebracht um die Schäden zu untersuchen und die Löcher provisorisch zu reparieren. Nach dem Ausdocken wird die Fracht wieder geladen und am 15.09.1952 wird die ursprünglich geplante Fahrt nach Casablanca fortgesetzt.

Anfangs Oktober 1952 wurde dann die MISOX in La Spezia für eine Woche gedockt, einige Bodenplatten wurden erneuert und das Ruder repariert. Nachher erfolgte die Übergabe an die neuen Besitzer Keller Shipping AG.

Quellen:

  • Schweizerisches Bundesarchiv, Bern, verschiedene Auszüge aus Lloyd's Berichten
  • Buch "Über die Meere der Welt - Ein Kapitän erzählt" von Edgar Freiherr von Salis-Soglio, Koehlers Verlagsgesellschaft mbH, Herford, Deutschland

SwissShips, HPS, Januar 2016