Das Kühlschiff, ein Schwesterschiff der CALANCA, lief am 13.02.1962 auf der zur Thyssen-Bornemisza Group gehörenden Werft N.V. Werf "Gusto", Slikkerveer (Bau Nr. 220) vom Stapel und wurde CASTANEDA getauft, die Taufpatin war Frau Dr. F. Hummler, die Ehefrau oder Tochter vom damaligen Chef des KTA in Bern. Am 19.05.1962 an die Eigner St. Gotthard Schiffahrts A.G., Chur übergeben. Der Betrieb des Kühlfrachters lag bei Suisse-Outremer S.A. de Gérance et d'Affrètement Maritimes, Genève. Die CASTANEDA wurde unter Schweizer Flagge in Basilea (Basel) registriert (Rufzeichen: HBFE). Castaneda ist ein Dorf am Eingang des Calancatales im italienisch sprachigen Teil des Kantons Graubünden.
Ab September 1963 verlegte die Firma ihr Domizil nach Zürich und nannte sich jetzt auf Deutsch Suisse-Outremer Bereederungs- und Befrachtungs AG.
Nach der Ablieferung fuhr die CASTANEDA zusammen mit ihrem Schwesterschiff CALANCA in dem holländischen Kühlschiffpool von Dammers en van der Heide, die gesamte Besatzung kam aus den Niederlanden. Die CASTANEDA fuhr erst einmal Bananen von Conakry, Guinea (bei seinem ersten Präsidenten Sékou Touré noch ein streng sozialistisches Land) nach Hamburg, von wo sie per Bahn nach Prag in der Tschechoslowakei gebracht wurden. Im Grossen und Ganzen kann man sagen, machte die CASTANEDA in etwa die gleichen Reisen und mit der gleichen Ladung, wie ihr Schwesterschiff, siehe auch unter CALANCA.
Nachdem anfänglich eine gesamte niederländische Crew an Bord fuhr, wurde sie langsam von Schweizern, Spaniern und Jugoslawen ersetzt. Dem Fahrtgebiet entsprechend wurden auch lokale Seeleute angeheuert, wie Ecuadorianer und Afrikaner.
An Ostern 19?? kam ein Inspektor, wie damals üblich am Wochenende, ins Büro in Zürich um dem einkommenden Telexe zu prüfen und traute seinen Augen kaum noch, was vor ihm auf dem Tisch lag. Die CASTANEDA lag am Anker vor einer abgelegenen Insel in den Neuen Hebriden im Pazifik*) um Fische zu laden. Der Telex besagte, dass alle Navigationsgeräte von der Brücke verschwunden sind, das heisst, kein Radar, Echolot, Funkpeiler, UKW-Telefon, alles weg. Beim Kreiselkompass und der Funkstation waren sämtliche Kabel durchschnitten, aber warum stand nicht geschrieben. Erst anderntags kam ans Licht, dass der spanische 2. Offizier durchgedreht hatte und aus Rache wegen einiger gestrichenen Überstunden, alles über die Kante geworfen hatte.
Nun mussten schnellstens über Radio Holland die Ersatzgeräte und Material beschafft, und an Bord gebracht werden. Der nächste internationale Flugplatz befand sich in Suva auf den Fidschi-Inseln, ungefähr 500 Seemeilen weiter östlich. Die CASTANEDA fuhr nur mit dem Magnetkompass und nach Sonne und Sternen nach Suva, so wie es die Polynesier schon seit hunderten von Jahren gemacht haben. Nach einer Woche war das neue Material in Suva und ein Techniker von Radio-Holland, Australien war ebenfalls eingetroffen, um die neue Anlage zu installieren und zu testen. Der Zweite wurde in Suva verhaftet und sass einige Monate im Knast, aber an den angerichteten Schaden hat er nie was bezahlt.
Am 09.03.1977 verkaufte die Reederei die CASTANEDA an Alabacore Navigation Co. S.A., Panama, Management: Alba Shipping Co. S.A., Piraeus (Nicolas Konialidis, Montevideo). Das Schiff wird in ALABACORE umbenannt und in Piraeus unter griechischer Flagge registriert (offizielle Nr.: n.a. Rufzeichen: SV4179). Neu vermessen mit: BRT: 1'505, NRT: 637, DWT: 1'716.
1980 Verkauf an Neptune Shipping Co. Ltd. (Oceanic Navigation Co. Ltd., Georgetown) (Management: Banana Supply Co. Inc., Miami) und registriert in Georgetown auf den Kaiman Inseln und in CASTANEDA umbenannt (Offizielle Nr.: 385042, Rufzeichen: ZGDG).
1987 ohne Namensänderung an Intrepid Shipping Co. Ltd. (unverändertes Management), Georgetown, Kaiman Inseln, verkauft.
1988: Verkauf an L.& H. Lines S.A. (Management: Marine Trust Shipping Co., Inc., Taipei), Panama. Umbenennung in KINGBON II. Offizielle Nr.: 18506-TT. Rufzeichen: HP5008.
Ab 1989 heisst der Manager Ta Sheng Navigation Co. Ltd., Kaohsiung.
1991 an Yeon Harng Reefer Line S.A., Kaohsiung, Panama Flagge, verkauft und in EVER VOYAGE NO. 6 umbenannt. Neu vermessen mit: BRT: 1392, NRT: 633, DWT: 1716.
1992 an San Fatt Reefer Lines S.A. (Management: Yeon Harng Reefer Line S.A., Kaohsiung), San Lorenzo, Honduras verkauft und in SAN FATT umbenannt. Offizielle Nr.: n.a. Rufzeichen: n.a. Neu vermessen mit: BRT: 1425, NRT: 636, DWT: 1716.
Am 07.08.1992 in Kobe vor Anker gegangen. Während des Taifuns "Janis" wurde das Schiff mit durchgehendem Anker auf Grund getrieben. Später konnte es wieder flottgebracht werden, wurde jedoch als Totalverlust deklariert und an eine chinesische Abwrackfirma verkauft. Das Schiff lief am 15.07.1993 im Schlepp zu seiner letzten Reise in Kobe aus.
Quellen:
SwissShips November 2022
*) Die Neuen Hebriden
Die Inselgruppe der Neuen Hebriden waren ein britisch-französisches Kondominium und wurden 1980 zum unabhängigen Staat Vanuatu mit der Hauptstadt Port Vila. Vanuatu führt auch ein International Open Ships Registry und jedermann kann hier sein Schiff registrieren.
El Gordito
Eine hübsche, kleine Geschichte erzählte Kapitän J. Johannsen, geschehen als er auf der CASTANEDA als Kapitän nach Ecuador fuhr:
Bei meiner ersten Ankunft in Bolivar (Puerto Bolivar, der Hafen von Machala, im Süden von Guayaquil) kam ein kleiner, dicker, aber aufgeweckter Junge von schätzungsweise 10 Jahren an Bord, der Carlos hiess, aber den alle „El Gordito“ (der Dicke) nannten. Immer sauber angezogen mit T-Shirt, Jeans und Turnschuhen, alles Gaben gutherziger Seeleute, denen er behilflich gewesen war. Seine Habseligkeiten verstaute er in einer Schuhputzkiste, die er immer mit sich trug. Er half dem Koch beim Abwaschen, deckte die Tische in der Messe, wusch und bügelte für die Leute an Bord. Nachts durfte er auf dem Lotsenboot schlafen.
Carlos bestürmte mich immer, ihn doch auf eine Reise nach Amerika mitzunehmen, aber ohne Papiere ein Ding der Unmöglichkeit. Nun, eines Abends vor dem Auslaufen verabschiedete er sich wie immer, aber am nächsten Morgen auf See, hockte der Bengel vor dem Salon und heulte. Er hatte sich in der Wäscherei unter der alten Wäsche versteckt. Was blieb mir übrig, ich schickte ihn zum Koch um ihm zu helfen.
Bei der Ankunft in Panama musste ich den blinden Passagier den Behörden melden. Glücklicherweise befand sich ein niederländisches Schiff aus unserem Pool auf der Reise nach Ecuador, das den Jungen samt Schuhputzkiste wieder nach Hause brachte.
Bei unserer nächsten Ankunft in Ecuador kam „El Gordito“ wieder in alter Frische an Bord um sich wieder ein kleines Taschengeld zu verdienen. Als meine Zeit auf der CASTANEDA um war, übergab ich meinem Nachfolger ein paar US-Dollars die sich „El Gordito“ für seine Arbeit angespart hatte und die ich für ihn in Gewahrsam behielt. Ich übergab dem neuen Kapitän 170.- USD mit der Bitte der Agent solle dem Jungen doch einen Pass besorgen. Diese Summe war der gängige Preis inklusive Bestechungsgeldern um einen Reisepass zu erhalten.
Einige Monate später erhielt ich via Reederei einen Brief von Carlos, er bedankte sich überglücklich für seinen Pass. Da er tatsächlich schon 15 Jahre alt war, erhielt er auch eine Stelle als Messboy auf der CALANCA. Zu Weihnachten schickte er in den ersten Jahren jeweils eine Karte, dann brach der Kontakt ab. Nach ungefähr 25 Jahren läutete bei uns zu Hause das Telefon, Carlos war dran. Er war nachher auf deutschen Schiffen gefahren und konnte die Hotelfachschule besuchen. Jetzt leitete er ein Hotel in Nürnberg und lud uns für einen Besuch ein. Nun kann ich wenigstens behaupten, auch mal eine gute Tat vollbracht zu haben.
SwissShips HPS, April 2023