Der Auftrag zu diesem Kühlschiffstyp kam ursprünglich von der deutschen Reederei W. Bruns & Co. Hamburg. Diese Firma gehörte dem Hamburger Unternehmer Willy F.A. Bruns (1904 – 1998) der einen internationalen Fruchthandel, hauptsächlich mit Süd- und Zentralamerika betrieb. Ende der siebziger Jahre waren die Kühlschiffe für Bruns unrentabel geworden und er zog sich aus der Kühlschifffahrt zurück. Den Bauvertrag, auch für das Schwesterschiff BERNINA kaufte dann die Thyssen-Bornemisza Gruppe.
Am 28.01.1980 wurde der Kiel gelegt bei Stocznia Gdanska im. Lenina, Gdansk (Bau Nr.: 360/01). Das Schiff sollte ursprünglich "Angara" benannt werden. Am 04.06.1980 als ALBULA vom Stapel gelaufen, der durch die politische Situation in Polen wohl ein bisschen verzögert wurde. Getauft wurde das Schiff durch Frau Mercedes Noboa. Im Sommer 1980 wurde die Gewerkschaft Solidarnosc gegründet, die vom Werftelektriker Lech Walesa angeführt wurde und zahlreiche Streiks zur Folge hatte. Das führte zum politischen Wandel in Polen und 1990 wurde Lech Walesa Staatspräsident.
Kapt. Johannsen besuchte die Werft schon im Mai 1979 zusammen mit seinem neuen Chef Rolf Greter um den Bau der neuen Kühlschiffe zu besprechen. Sie wurden von einem Abteilungsleiter empfangen, der kein Englisch sprach, hingegen war sein Jackett reich mit um die zwanzig Orden dekoriert. Zu dieser Zeit war noch keine Solidarnosc in Sicht, aber beim Stapellauf im Juni 1980 bemerkte man schon den Hauch der neuen Zeit, die Leninbüste war aus dem Konferenzsaal verschwunden und vor der Werft stand ein Denkmal für die Solidarnosc. Für den Stapellauf kamen ungefähr 50 geladene Gäste mit einer Swissair-Maschine nach Gdansk.
Die Übernahme der ALBULA in Gdansk durch die St. Gotthard Schiffahrts AG erfolgte am 16.01.1981 und am 26.01.1981 unter Schweizer Flagge in Basel (Basilea) registriert (Register Nr.: 113, Rufzeichen: HBDP). Anderntags am 27.01.1981 aus Gdansk nach Kiel ausgelaufen, wo sie an den Charterer Pacific Fruit Company (F. Noboa, Ecuador) angeliefert wurde. Die Bereederung oblag der Suisse-Outremer Reederei AG, Zürich.
Die Crew waren Schweizer und die Offiziere an Deck und in der Maschine waren Europäer und Schweizer. Auch Ecuadorianer fuhren an Bord, die meisten waren schon länger bei Suisse-Outremer auf der FAVORITA gefahren und somit bekannt.
Für die gesamte Besatzung standen gut eingerichtete Unterkünfte zur Verfügung, jedermann bis zum Messboy hatte eine Einzelkabine mit privater Dusche/WC. Sogar eine Eiswürfelmaschine war vorhanden, somit konnte man den Cuba Libre schön gekühlt geniessen (das Schiff fuhr regelmässig durch die westindischen Gewässer, die Heimat des besten Rums der Welt).
Das Fahrtgebiet der ALBULA war vorwiegend von Ecuador nach Newark NJ und Savannah in den USA, gelegentlich auch Nordeuropa (Cork-Antwerpen-Bremerhaven). Von Ecuador brachte das Kühlschiff Bananen nach den USA oder nach Europa und auf der Südreise brachte man Stückgut nach Balboa und Guayaquil. Die Bananen wurden in Guayaquil, Puerto Bolivar (Machala) und in Esmeraldas geladen, aber auch in Golfito (Costa Rica) und Armuelles (Panama) auf der Pazifik Seite, auf der atlantischen Seite lief der Frachter auch Turbo (Kolumbien), Puerto Limon (Costa Rica) und Puerto Cortés, sowie Tela (Honduras) an. Da die ALBULA bereits mit Container-Schuhen ausgerüstet war, beförderte sie auch Container nach Süden und Kühlcontainer mit Fischereiprodukten von Ecuador nach dem Norden. Diese Container mussten jedoch an Deck und in den Laderäumen von Hand mit Ketten, Drähten und Spannschrauben gelascht werden.
Die Bananen kamen mit verschiedenen Methoden an Bord, anfänglich gab es noch die berühmte Hühnerleiter, die an die Seitentüren gelegt wurde und eine Prozession von Bananenträgern/innen trugen die Früchte an Bord. Später wurde mit einem vertikalen Förderband oder aber auch palettisiert mit dem Schiffsladegeschirr geladen.
Die ALBULA (und ihr Schwesterschiff BERNINA) waren für 21,0 Knoten verchartert und somit so ausgelegt, dass diese Geschwindigkeit auch jederzeit zwischen den Docking-Intervallen eingehalten werden konnte (max. Geschwindigkeit 24,0 Knoten). Der Schwerölverbrauch der Hauptmaschine bei Volllast lag bei ungefähr 72,0 Tonnen/Tag Maximum.
Am 16.12.1986 bei der Einfahrt in die Van Cauwelaert Schleuse in Antwerpen (Frans Van Cauwelaert 1880 - 1961 war ein belgischer Psychologe und Politiker, sowie langjähriger Bürgermeister von Antwerpen) kollidiert das Schiff mit der Schleusenmauer und erleidet einen Riss in der Bordwand von ungefähr 1 m Länge. Nach dem Löschen der Restladung in Bremerhaven am folgenden Tag, erfolgte die Reparatur und am Weihnachtstag 24.12.1986 lief die ALBULA nach Savannah aus.
Im Jahr 1988 beschloss die Reederei die Schiffe ALBULA und BERNINA zu verkaufen. Um diesen Handel besser ausführen zu können wurden sie nach Liberia ausgeflaggt. Die ALBULA wechselte die Flagge am 23.04.1988 in Newark NJ und die Eignerschaft wurde auf Mascasi Shipping Inc. Monrovia (Offizielle Nr.: 8209, Rufzeichen: ELHU2) umgeschrieben. Die Namensänderung auf BOLIVAR folgte erst zwei Monate später am 24.06.1988.
Die Heuern wurden bis 1986 in Schweizer Franken bezahlt, dann aber auf US-Dollars umgestellt. Bei dieser Umflaggung auf Liberia Flagge blieben die Heuern gleich, aber es wurde keine AHV und keine Pensionskasse mehr bezahlt (somit keine Arbeitgeberbeiträge, aber auch keine Abzüge von der Heuer). Suisse-Outremer sorgte immer dafür, dass ihre Schiffe mit dem sogenannten „blue ticket“ fuhren, das durch die Vermittlung der damaligen Gewerkschaft VHTL (Verkauf, Handel, Transport und Lebensmittelarbeiter) in Basel vom ITF in London ausgestellt wurde. Dieses „blue ticket“ beruhte auf einem Gesamtarbeitsvertrag zwischen der Reederei und dem ITF. Diese Änderungen sorgten teilweise für grosse Unzufriedenheit bei einigen Schweizern, sie musterten ab und wurden durch Ausländer ersetzt.
Am 09.02.1989 verkaufte / übergab Suisse-Outremer im Auftrag der Eigner die ALBULA im Hafen von Newark NJ an griechische Käufer. Insgesamt sind während der acht Jahre bei Suisse-Outremer 121 Reisen zusammen gekommen, was eine durchschnittliche Länge von 24 Tagen pro Reise ergibt.
Skyleader Maritime Inc. Monrovia kaufte das Schiff für einen publizierten Preis von 12,0 Mio. USD. Das Management übernahm Enterprises Shipping & Trading SA Piraeus, eine Firma der Stamatis Restis Gruppe, eine griechische Reeder Familie jüdischer Abstammung. Das Schiff behielt seinen Namen, erhielt jedoch die Flagge der Bahamas, Heimathafen Nassau (Offizielle Nr.: 715434, Rufzeichen: C6HL2).
Am 29.10.1995 im Hafen von Fernandina Beach, Florida (beim Nassau Terminal) wird das Schiff bei einer Kollision mit dem Containerschiff ALABAMA leicht beschädigt. Am 03.11.1995 kann das Schiff nach Chile auslaufen, weitere Details sind unbekannt.
Am 18.10.1997 bricht im Maschinenraum ein Feuer aus. Das Schiff befand sich auf der Reise von Europa nach Zentralamerika in einer Position 57°49' N / 021°54' W. Das Feuer wird am folgenden Tag, dem 19.10.1997 gelöscht, wobei der Chief Ingenieur bei den Löscharbeiten erheblich verletzt wird. Der Schlepper PORTOSALVO nimmt das Schiff zwei Tage später an den Haken und schleppt es nach Broad Bay, Isle of Lewis (Westküste Schottland). Das Schiff hat Schlagseite und im Maschinenraum stehen mehr als 2 Meter Wasser. Der Havarist wird weiter nach Gdynia, Polen geschleppt, wo er am 04.11.1997 ankommt. Dort wurde entschieden, dass die Schäden in Piraeus repariert werden sollen. Am 19.11.1997 im Schlepp von POSEJDON Gdynia verlassen und am 18.12.1997 in Piraeus angekommen. Die Reparaturen dauerten über drei Monate bis zum 03.04.1998.
Im September 1998 registriert in George Town, auf den britischen Cayman Islands (Offizielle Nr.: 715434, Rufzeichen: ZCMD).
Am 21.05.2002 innerhalb der Restis-Group, Athen verkauft an Bernina Maritime Ltd. (Management: Enterprises Shipping & Trading SA, Athen). Das Schiff verbleibt unter der Flagge der Cayman Islands, wechselt jedoch den Namen auf NAPOLI.
In 2004 verkauft an indische Abbrecher für rapportierte 3.04 Millionen USD, die NAPOLI ist am 10.05.2004 in Alang angekommen.
Zusätzliche Informationen und Geschichten
Eine typische Reise von den USA nach Ecuador und zurück:
Markus Berger, der lange als Bootsmann auf ALBULA und BERNINA gefahren ist, erinnert sich und beschreibt eine typische Reise (Reise 83. Ende Juli und August 1986):
Mit der ALBULA und BERNINA hatten wir einen drei Wochen Turnus zwischen USA und Ecuador. Freitagnachts liefen wir teilbeladen mit Stückgut und Containern aus Port Newark nach Savannah aus (871nm). Am Sonntagmorgen Ankunft in Savannah, wieder Stückgut und Papierrollen für die Bananenkartons laden. Dann spät nachmittags oder abends auslaufen und versuchen vor den Kreuzfahrtschiffen am Montag in Miami einzulaufen (383 nm). Hier weiteres Stückgut, Lastwagen, Autos und Container laden und am späten Nachmittag oder abends, meistens voll beladen auslaufen.
Auf See musste die Ladung jeweils noch gelascht werden, besonders schwierig am Sonntag in Savannah, da die Crew an Land auf Sightseeing wollte. Es wurde gemunkelt, dass die Schiffsleitung jeweils unterschrieben hätte, dass die Longshoremen alles seeklar gelascht hätten. Vom gesparten Geld erhielten die Longshoremen und die Schiffsleitung jeweils einen „Dash“ (diese Praxis wurde auf vielen Schiffen angewandt).
Am Donnerstag früh morgens Ankunft in Cristobal (Panama Kanal Atlantikseite), die Lashings entfernen, dann Löschen und Laden um Abends bereit zu sein für die Passage des Panama Kanals. Nun konnte ich tagsüber für einige Stunden an Land. Abends und während der Nacht Durchfahrt durch den Kanal. Während dieser Zeit musste ich Wache schieben auf der Back bis Ankunft Balboa auf der Pazifikseite am Freitagmorgen um 05/06:00 Uhr. Schnell zwei Stunden bis zum Frühstück schlafen, dann die Leute zur Arbeit einteilen. Dann ging die Fahrt weiter nach Ecuador (852 nm). Manchmal hatten wir auch Ladung für Esmeraldas und Manta, aber meistens nur wenige Collies oder dann sperrige Güter.
Am Samstagnachmittag einlaufen in Guayaquil. Die restliche Ladung löschen und gleich 40-Fuss Kühlcontainer mit Shrimps laden an Deck. Wenn der Bunkertanker nicht gleich bei Ankunft längseits war, dann wurde es heiss wegen der Stabilität unseres leeren Schiffes. Wenn die Unterräume sauber waren, Einkühlen und Beginn mit dem Riggen der Laufstege an den Seitentoren für die Bananenträger. Jetzt begann das Laden der Bananen mit hundert und mehr Trägern. Auf den Lukendeckeln und an Deck wurden inzwischen 20-Fuss Container geladen, gefüllt mit Kaffee und anderen Agrarprodukten.
Am Sonntag gegen Abend wieder Auslaufen nach dem nahegelegenen Puerto Bolivar (43 nm) um weitere Bananen zu laden. Je nachdem, wie schnell die Bananen angeliefert wurden, am Dienstagabend oder am Mittwochmorgen auslaufen zur Rückreise. Neben der Arbeit auch ein Rundgang durch die lokalen Bars und ein Besuch bei der Freundin. Dies war der Vorteil der Linienfahrt, man kannte die Häfen und die Leute und fühlte sich „zu Hause“.
Vor der Panama Kanal Passage noch schnell für eine Nacht nach dem Städtchen Puerto Armuelles in Panama, um noch die letzten Bananen an Bord zu nehmen. Jetzt ab nach Newark, wo das Schiff wieder am Mittwoch oder Donnerstag erwartet wurde. Wann man erst Donnerstagmorgen ankam, musste man beachten, dass die erste Wurfleine erst eine Minute nach 06:00 Uhr an Land geworfen wurde. Da die Hafenarbeiter das Festmachen selber besorgten, hätte der Charterer vor 06:00 Uhr eine beträchtliche Summe für Überzeit bezahlen müssen (ein „gute“ Gewerkschaft macht es möglich).
Quelle: Büro-Log von Kapt. Jörg Johannsen
Winter in den USA:
In der Sommerzeit war dieses Fahrtgebiet normalerweise eine Schönwetterfahrt mit angenehmen oder heissen Temperaturen, im Winter jedoch mit einem abrupten Wechsel zu winterlichen, kalten Wetter verbunden. Wenn das Schiff an der amerikanischen Ostküste nordwärts segelte, verliess es bei Kap Hatteras den schönen, warmen Golfstrom, der sich hier mit dem kalten Labradorstrom vermischte. Die Wasser- und Lufttemperaturen fielen abrupt schnell und man fand sich plötzlich im tiefsten Winter. Bei stürmischen Wetter vereisten die Decks von überkommenden Gischt und Brechern. In Newark herrschten manchmal Temperaturen von - 20 °C und Schnee lag auf dem Deck.
Das Deck musste im Hafen möglichst Schnee- und Eisfrei sein, um die Unfallgefahr zu mindern. Leider gab es immer wieder Claims von den fetten Hafenarbeitern, die tatsächlich, aber meistens nur angeblich ausgerutscht und auf das Deck gefallen sind. In den USA gibt es viele Anwälte die solche Fälle perfekt ausnutzen und zu Geld machen können. Es war eben manchmal sehr schwierig mit diesen Amis.
Schmuggel:
Die Fahrt zwischen Ecuador und den USA gilt als eine „heisse Line“, die zum Schmuggel von Drogen nach den USA und anderer Güter nach Ecuador benützt, oder besser missbraucht werden kann. Der Zoll und auch das DEA, Drug Enforcement Administration hatten daher immer ein wachsames Auge auf das Schiff bei seiner Ankunft in Newark. Die „black gang“ (Suchtruppe des Zolls) kam regelmässig auf Besuch an Bord, um den Dampfer abzusuchen und auf den Kopf zu stellen. Allerdings, bei saukaltem Wetter, wollten sie dann doch lieber Pornofilmli schauen in der Crewmesse.
Auf See fand man immer wieder Säcklein mit weissem Pulver, das von „Hobbyschmugglern“ unter Windenfundamenten, Krankonsolen und an anderen geeigneten Orten versteckt worden ist. Die ehrlichen Finder haben das Zeugs dann gleich über Bord geworfen, um den Fischen eine Freude zu bereiten. Die professionellen Schmuggler haben ihr Zeugs schon damals in den Containern versteckt.
In Newark besuchten uns immer wieder Leute, wie Hafenarbeiter und dergleichen, um ein „business“ vorzuschlagen. Man wusste jedoch nicht, war das ein echter Händler oder ein verdeckter Agent des DEA. Auch ist es anzuzweifeln, ob die Leute vom DEA alle ehrlich waren oder nicht selber in „monkey business“, also krumme Geschäfte verwickelt waren.
Quellen: