Dieser mit Dampfturbinen angetriebene Tanker wurde in Schweden gebaut und segelte zuerst unter der Flagge von Schweden. Am 18.08.1973 als SEA SCOUT von Stapel gelaufen. Im Oktober 1973 von Salénrederierna A/B Stockholm in Betrieb genommen (Management: Salénrederierna, Stockholm) und unter Schwedischer Flagge registriert, Heimathafen Stockholm (Offizielle Nr.: 11348, Rufzeichen SJLA). 1981 verkauft an Partrederiet för t/t "Sea Scout" Stockholm (Management: Salén Tanker A/B, Stockholm) und 1982 weiterverkauft an Jenit Tank A/B, Göteborg (Management: Zenit Shipping A/B, Göteborg).
An einem Freitagnachmittag im Juni 1984 rief ein deutschsprechender Unbekannter bei Suisse-Outremer an und fragte, ob sie interessiert wären einen Supertanker ins Management zu nehmen. Der Mann meinte, er wäre gerade mit seinem Privatflugzeug unterwegs nach Zürich. Also flugs fuhren drei Topleute von Suisse-Outremer zum Flughafen um den Mann zu treffen. Dieser entpuppte sich als ein sogenannter Trader, ein internationaler Rohstoffhändler der frei für eine österreichische Staatshandelsfirma arbeitete.
Der Trader liess durchblicken, dass er auch im Kontakt mit einer Reederei in Genf war und eine Entscheidung schnell zu erfolgen hätte. Der Direktor Rolf Greter war begeistert und wollte sich diese seltene Gelegenheit nicht entgehen lassen, er hörte vermutlich nur „Supertanker“. Der Tanker befand sich ausserhalb des Persischen Golfes vor Khor Fakkan, einer Exclave des Emirates von Sharjah, am Anker und eine Ladung stände auch zur Verfügung, entweder in Dubai oder auf der Insel Kharg, vor der iranischen Küste.
Man einigte sich schnell und am 21.06.1984 übernahm der neue Eigner den Tanker für einen Preis von 8 Millionen USD. Die neue Eignerfirma hiess Seavision Investment SA und das Management lag jetzt bei Suisse-Outremer Reederei AG, Zürich. Der Tanker wurde auf TIBURON (spanisch für Hai, Haifisch) umbenannt und in Monrovia unter Liberia Flagge registriert (Offizielle Nr.: 7589, Rufzeichen ELDU8). Anmerkung: Die liberianische Flotte wird von New York aus verwaltet. Nun musste es schnell gehen, vieles musste organisiert werden, vor allem eine Besatzung. Auch benötigte man Ingenieure mit Dampfpatent und Erfahrung auf Turbinenschiffen, diese Leute waren schon damals schwierig zu finden. Letztendlich hatte man eine Crew beisammen, total 31 Mann, 24 Spanier und 7 Deutsche. Der Kapitän, Chief Officer, der Chief Engineer,1st. Assistant Engineer, 3rd. Assistant Engineer, sowie der Elektriker und der Koch stammten aus Deutschland.
Auch Versicherungen mussten abgeschlossen werden, für „Hull & Machinery“ (Kaskoversicherung), „P&I, Protection & Indemnity“ (Haftplichtversicherung), sowie eine Kriegsrisikoversicherung. Die Seeleute hatten alle einen VHTL-Vertrag und waren dadurch dem Schweizer Kranken- und Unfallversicherungsgesetz unterstellt.
Am 21.06.1984 wurde die SEA SCOUT am Anker in Khor Fakkan von der neuen Besatzung übernommen und auf TIBURON umbenannt. Alle nötigen Surveys für den Namens-, Eigner- und Flaggenwechsel wurden hier ausgeführt. Nach der Übernahme verholte die TIBURON und legte sich hinter einer iranischen Insel in der Strasse von Hormuz in Warteposition, ab jetzt musste absolute Funkstille gewahrt werden. Dann fuhr sie zur Insel Kharg um zwei Partien zu laden, ein schweres und ein leichtes Rohöl. Die Reederei wusste nur von der Agentur, dass der Tanker am Mittwoch 27.06.1984 am Morgen abfahren sollte, somit wäre er gegen Abend aus der Gefahrenzone.
Jedoch es kam anders, der Hai wurde plötzlich zum Gejagten, am Mittag rief eine niederländische Bergungsfirma im Büro in Zürich an, ob die TIBURON ihr Schiff wäre, ihr Bergungsschlepper in Dubai hätte einen SOS-Ruf aufgefangen, zehn Minuten später rief der Vertreter einer Singapurer Bergungsfirma aus London an. Nachdem diese Unfallmeldung an die Öffentlichkeit gedrungen war, wurde das Telefon und das Reedereibüro von allerhand Leuten bestürmt, Journalisten, lokalen Radiostationen, Advokaten, Gewerkschaftern, dem spanischen Konsul etc. sogar der Baron rief später persönlich an und wollte wissen, wie es um die Unterstützung der Hinterbliebenen stand.
Die TIBURON war planmmässig am Morgen des 27.06.1984 mit einer Ladung von 250'000 Tonnen Rohöl *) aus Kharg Island ausgelaufen und befand sich auf See Richtung Strasse von Hormuz, als um 13:40 Lokalzeit eine Exocet-Rakete einschlug und zum sofortigen Ausfall aller Maschinen und Systeme führte, es herrschte Dunkelheit an Bord. Der Dampfer befand sich auf Position 28° 27' N / 050° 45' E, nördlich von Bahrain. Wie der mitreisende Inspektor später erzählte, stand er mit dem Kapitän und dem Chief Engineer auf der Brücke als die Rakete wie aus heiterem Himmel auf der Steuerbordseite etwa 1,5 m über der Wasserlinie durch den Dieselöltagestank in das Zwischendeck im Maschinenraum eindrang und dort explodierte. Offensichtlich hat man die irakischen Flugzeuge nicht bemerkt, die Exocet-Rakete wurde aus sicherer Entfernung abgefeuert. Die beiden Dampfkessel explodierten ebenfalls, wer nicht schon von der explodierenden Rakete zu Tode kam, wurde jetzt vom heissen Dampf augenblicklich verbrüht, niemand kann so was überleben **). Sieben Mann starben sofort im Maschinenraum, ein achter Mann schleppte sich über den Notausstieg aus der Rudermaschine. Ein iranischer Helikopter flog den Schwerverletzten nach Buschehr in das Krankenhaus, wo er leider verstarb. Drei weitere Seeleute lagen schwerverletzt auf dem Deck. Man kann sich natürlich fragen, warum schickte man diese Leute in den Maschinenraum, solange der Tanker sich in der Gefahrenzone bewegte. Das Schiff war gut gewartet und konnte auf Automatik fahren. Lagen dringende Arbeiten an, oder gingen die Leute einfach gewohnheitsmässig in die Maschine, es war ja Mittwoch, ein normaler Arbeitstag? Wir wissen es nicht.
Seeleute nannten die Fahrstrecke im Persischen Golf auch „Exocet-Alley“ Quelle: Wikipedia
Die TIBURON brannte jetzt achtern lichterloh, glücklicherweise blieb die Rohölladung unversehrt. Der spanische Funker sandte seine SOS-Meldung bis der Inspektor ihn aus der mit dichtem Rauch gefüllten Funkbude raus holte. Die restliche Besatzung rettete sich auf das Vorschiff. Drei iranische Schlepper erreichten die Unfallstelle zuerst, aber es konnte verhindert werden, dass die Iraner das Wrack an ihre Küste brachten, was nicht im Sinn der Reederei und der Versicherer gewesen wäre. Mittlerweile brachten iranische Helikopter die Besatzung und die drei verwundeten Männer nach Buschehr ins Spital. Die Seeleute wurden von den Iranern korrekt behandelt und nachher direkt nach Hause geflogen.
Die Reederei organisierte zwischenzeitlich die niederländische Bergungsfirma Smit-Tak und ein Bergevertrag auf der Basis „no cure, no pay“ wurde abgeschlossen. Ihr Bergungsschlepper, zusammen mit einem Schlepper aus Singapore erreichten die TIBURON gegen Mitternacht und schleppten den brennenden Tanker auf einen Ankerplatz etwa 70 Seemeilen östlich von Bahrain. Die Schiffsleitung und der Inspektor harrten an Bord aus. Sie erhielten nachher die Möglichkeit an Bord des Bergungsschleppers sich zu verpflegen und zu schlafen. Am Nachmittag des 30.06.1984 war das Feuer endgültig gelöscht. Nach dem Auskühlen begann man am 15.07.1984 die Ladung zu bergen. Das Rohöl wurde in den BP-Tanker BRITISH RENOWN ***) und in einen anderen Tanker umgepumpt und konnte gerettet werden.
Ein besonders heikles Problem stellte die Bergung und die Rückführung der Toten dar. Die Leichen lagen unten im Maschinenraum, der komplett mit Löschwasser gefüllt war. Die Bergungsfirma bestand darauf, dass der Maschinenraum aus technischen Gründen erst nach der Bergung des Rohöls leergepumpt werden sollte. Der Grund war wohl, dass der Tanker so eine gute Gattlage hatte oder aber, dass den Bergern die Ladung einfach wichtiger war. Man muss bedenken, dass die Cargopumpen und das Nachlenzsystem des Schiffes nicht benutzt werden konnten (kein Dampf, keine Elektrizität an Bord), so mussten die Tanks mit portablen Pumpen von den Bergungsschiffen gelöscht werden.
Endlich nach über vier Wochen war es soweit, am 01.08.1984 war der Maschinenraum leergepumpt.
Über den Adjuster der Versicherung organisierte man ein angeblich auf solche Fälle spezialisiertes Bestattungsinstitut. Der Chef persönlich mit zwei Gehilfen und sieben Särgen flog nach Bahrein und fuhr mit einem Boot zur TIBURON. Längsseits ankommen weigerten sich die Drei die hohe Gangway hochzusteigen, sie wollten warten, bis man ihnen die Leichen runterbrachte. Ein anglikanischer Priester in Bahrein schickte einige pakistanische Totengräber an Bord. Diese Leute kamen an Deck, aber als sie das Inferno im Maschinenraum sahen, verliess sie der Mut, sie wollten nicht in diese Hölle runtersteigen. Als nächstes ein Anruf bei der US-Navy in Bahrein, der richtige Mann antwortete, sagte aber „ja wenn das Amerikaner sind, sofort, aber Ausländer? Nein danke, da können wir leider nicht helfen“. Auch die Crew des holländischen Bergungsschlepper weigerte sich, nicht mal gegen eine Prämie wollten sie diese Arbeit machen. Endlich hatte der Kapitän die erlösende Idee, die Holländer hatten noch einen Schlepper mit philippinischer Besatzung aus Singapore gechartert. Gegen eine Prämie von 2000.- USD hatten sie die Überreste geborgen und runter aufs Boot gebracht. Der Kapitän regelte mit dem Bestatter das Einsargen, dann verzog sich der Bestatter mit seinen Gehilfen, den pakistanischen Totengräbern und den sieben Särgen mit dem Boot wieder zurück nach Bahrein.
Die TIBURON war für 9 Millionen USD versichert und die Salvage-Experten erklärten sie zum Totalverlust. Das Wrack wurde dann zum Abbruch an Tien Cheng Steel Manufacturing Co. Ltd. Kaohsiung, Taiwan verkauft (publizierter Schrottpreis: 90.- USD per Leergewichtstonne, total 2'947'320 USD). Am 19.08.1984 unter dem Namen STIB im Schlepp vom Arabischen Golf ausgelaufen und am 12.11.1984 in Kaohsiung, Taiwan angekommen. Der Abbruch begann am 28.11.1984.
Auch wenn das Schiff schon längstens verschrottet war, ging der Kampf noch jahrelang bei Advokaten und Gerichten weiter, wer was und wie viel zu bezahlen hatte. Lloyds in London bezahlte einen der höchsten Bergelöhne, total 15,8 Mio. USD.
*) Der Wert dieser Ladung von 250'000 Tonnen war ungefähr 49 Mio. USD. Nimmt man 250'000 Tonnen mit einer S.G. von 0,9 dann gibt das 277'770 m³, geteilt durch 0,159 (1 Barrel = 159 ltr) dann ergibt das 1'750'000 Barrel. Bei einem damaligen Preis von ungefähr 28.- USD per Barrel gibt das ungefähr 49 Mio. USD.
**) Gemäss dem Lloyd's Register betrug der Dampfdruck beim Kessel 72,0 bar und vor der Turbine 64,7 bar und der Dampf war überhitzt auf 510°C (superheated steam). Zum Vergleich, die Abgas- und Donkey-Boilers auf den Frachtern vor 40/60 Jahren erzeugten Sattdampf und hatten einen Dampfdruck von ungefähr 7 - 10 Bar, entsprechend einer Temperatur von 165 - 180°C. Also der Dampfdruck auf der TIBURON war ungefähr 7 bis 10 Mal höher und die Temperatur 3 Mal höher.
***) BRITISH RENOWN, dieser Tanker wurde seinerseits von iranischen Flugzeugen angegriffen und beschossen. Niemand kam zu Schaden und am Schiff entstand nur leichter Schaden, der in Dubai repariert wurde.
Zusätzliche Informationen und Geschichten
Erster Golfkrieg (Irak/Iran Krieg), auch Tankerkrieg genannt
Dieser Krieg entstand auf Grund jahrhundertealter Grenzstreitigkeiten, die auch heute noch nicht gelöst sind und dauerte vom 22. September 1980 bis 20. August 1988. Der unmittelbare Grund der zum Golfkrieg führte, auch Tankerkrieg genannt, waren Schifffahrtsrechte auf dem Schatt al-Arab (Arvand Rud) und die „Befreiung“ der Erdöl- und Erdgasreichen, iranischen Provinz Chuzestan (im Irak Arabistan genannt).
Der Irak unter Saddam Hussein genoss erhebliche Unterstützung von der Sowjetunion, Frankreich und den Vereinigten Staaten, während der revolutionäre Iran kaum international unterstützt wurde. Nachdem die Franzosen den Irakern Kampfflugzeuge „Super Étendard“ und Exocet Raketen lieferten und Irak so die Lufthoheit erlangte, führte das zum sogenannten „Tankerkrieg“. Man versuchte gegenseitig die Ölexporte zu erschweren oder gar zu verhindern.
Tanker Totalverluste von 1963 bis 1996, der grösste Teil wurde durch Kriegseinwirkung versenkt (mit Sternchen), Liste jedoch nicht komplett. Quelle: Lloyd’s List, 2. Juli 1997.
Gemäss verschiedenen Medien wurden insgesamt ungefähr 250 Tanker beschädigt oder versenkt, es scheint jedoch, dass diese Zahl viel zu hoch gegriffen ist. Im Iran liegt der Ölverladeterminal auf der Insel Kharg und die dort abfahrenden Tanker waren ein Ziel der Iraker. Die Iraner griffen ihrerseits die von Irak und Kuwait abfahrenden Tanker mit Seeminen, Lenkwaffen und den Beschuss durch Kriegsschiffe an. Die Seeleute nannten daher die gefährliche Strecke zwischen dem Schatt al-Arab und der Insel Larak in der Strasse von Hormuz auch „Exocet Alley“.
Quelle: Le Fana de l'aviation, April 2016 von Hugues de Guillebon
Der Krieg endete im Sommer 1988 ohne Sieg mit einem von der UNO vermittelten Waffenstillstand, jedoch ein Friedensvertrag wurde nie unterzeichnet.
Quellen:
SwissShips im Juli 2023