Im Februar 1937 wurde der Frachtdampfer FELLDENE (Baunummer 1074) in der britischen Werft William Gray & Co. Ltd. in West Hartlepool für die Reederei Dene Shipping Management Co. London, vom Stapel gelassen und wurde bereits im März 1937 an die Reederei abgeliefert (Eignergesellschaft Felldene Shipping Co. Ltd. London). Das 7'600 DWT-Schiff wurde von einer Dreifach-Expansions Dampfmaschine (1'700 PS) angetrieben und erreichte eine Reisegeschwindigkeit von 9 Knoten. Die zwei Dampfkessel arbeiteten mit einem Druck von 200 psi (14 bar) und verbrauchten ungefähr 32-34 Tonnen Kohle pro Tag. Sie verfügte über ein Ladegeschirr von 12 Ladebäumen mit je 4 Tonnen Tragkraft. Offizielle Nr.: 165434. Rufzeichen: GZMQ.
Am 21.02.1939 kauften die Schweizer Eric Demaurex und Georges Pasche in Buenos Aires diesen Stückgutfrachter für ihre panamesische Gesellschaft Demaurex & Pasche SA, Panama, und nannten ihn ST. CERGUE. Der Kauf wurde im Auftrag der Getreidehandelsfirma André & Cie in Lausanne getätigt, die auch das Management des Schiffes übernahm. Am 08.03.1939 war die offizielle Übergabe. Mit dem Wechsel zur Flagge Panamas erhielt das Schiff das Rufzeichen HPKH.
Ab 1939 transportierte das Schiff im Auftrag vom KTA, Kriegs Transport Amt in Bern Getreide von New York nach den Häfen Antwerpen, Rotterdam und Amsterdam. Am 03.05.1940 lief die ST. CERGUE aus Antwerpen kommend, mit einer Ladung Getreide für die Eidgenossenschaft in Rotterdam ein und wurde einige Tage später vom Einmarsch der Deutschen Wehrmacht in die Benelux-Staaten und Frankreich überrascht. Der Hafen von Rotterdam wurde auch angegriffen und Brandbomben wurden abgeworfen. Es wurde berichtet, dass einige Bomben auch auf das Deck des Frachters oder in die offenen Laderäume fielen, aber glücklicherweise waren diese Räume schon gelöscht. Nur minimale Schäden wurden an Bord angerichtet. Das Holländische Kriegsschiff VAN GALEN befand sich in der Nähe und feuerte aus allen Rohren auf die Deutschen Flugzeuge, einige davon stürzten in das Hafenwasser.
Am 15. Mai 1940 verhängten die deutschen Besatzer über alle sich in holländischen Gewässer befindlichen Schiffe ein Auslaufverbot. Das Schiff sollte danach an die deutsche Reederei Hendrik Fisser & van Doornum in Emden verkauft werden. Der Kauf scheiterte jedoch am hohen Preis und an den knappen Devisen Deutschlands. Während der Liegezeit in Rotterdam wurden noch mehrere Fliegerangriffe auf den Hafen ausgeführt, jedoch wurde die ST. CERGUE nie ernsthaft beschädigt. Der grösste Teil der aus Jugoslawen und Italienern bestehenden Mannschaft musterte ab.
Am 28.01.1941 wurde das Schiff mit Genehmigung der deutschen Behörden an die Suisse-Atlantique, Société de Navigation Maritime SA, Lausanne, verkauft. Es blieb jedoch unter panamesischer Flagge registriert. Kapitän Gerber musterte eine zusammen gewürfelte Crew von der "Beach" in Rotterdam an. Im Juli 1941 konnte das Schiff via Kaiser-Wilhelm-Kanal (ab 1948 Nord Ostsee Kanal) und Norwegen nach New York auslaufen. An Bord befanden sich mehrere blinde Passagiere, darunter auch der "Soldaat van Oranje", Erik Hazelhoff Roelfzema. Bei den Färöerinseln stoppte der englische Kreuzer DEVONSHIRE das Schiff und eskortiert es nach Thørshavn, da man in ihm einen deutschen Frachter vermutete. Die blinden Passagiere wurden an Land gebracht. Bei dieser Gelegenheit desertierte etwa die Hälfte der Besatzung. Das Schiff konnte aber später die Reise fortsetzen (siehe auch den Bericht von Jan Maan, den damaligen 3. Offizier während dieser Reise).
Am 10.07.1941 wurde das Schiff als Nummer 5 im Register der schweizerischen Seeschiffe eingetragen. Dabei erhielt es das Rufzeichen HBDH. Nachdem die ST. CERGUE am 31.07.1941 in New York eingelaufen war, wurde am 1. August 1941, dem schweizerischen Nationalfeiertag, erstmals die Schweizer Flagge gehisst.
Von anfangs 1940 bis Sommer 1943 hatte der berühmte Schweizer Kapitän Fritz Gerber aus Langnau i/E. das Kommando der ST. CERGUE. Der Funker war der junge Schweizer Adolf Tschui, der in Antwerpen angemustert hatte. Der Frachter wurde zunächst zwischen den USA und Genua eingesetzt. Aus Amerika brachte er Getreide für die Schweiz und auf der Rückreise in die Vereinigten Staaten wurden Maschinen und andere schweizerische Qualitätsprodukte geladen. Während der ganzen Kriegszeit standen alle Schweizer Schiffe unter der Führung des KTA in Bern.
Die ST. CERGUE war das, was die Seeleute ein "lucky ship" nennen. Bei einer Überfahrt nach New York rettete sie am 15.04.1942 zehn Überlebende des norwegischen Tankers KOLL (10'044 BRT / Baujahr 1930), welcher am 06.04.1942 von einem deutschen U-Boot (U-571) torpediert worden war. Die erschöpften Überlebenden wurden am 17.04.1942 in New York an Land und ins Spital gebracht.
Am 27.06.1942 fuhr die ST. CERGUE östlich von Bermuda Richtung Genua, als ein schwacher Hilferuf aufgefangen wurde. Zehn Stunden später erreichte das Schiff die angegebene Position. Einige überfüllte Rettungsboote vom holländischen Kombifrachter JAGERSFONTEIN (10'083 BRT / Baujahr 1934), wurden in der See treibend gefunden. Glücklicherweise hatte eines der Rettungsboote einen kleinen Notsender um einen Hilferuf zu senden. Der holländische Frachter entkam der japanischen Invasion in Indonesien und fuhr über den Pazifik nach den USA. In Houston kamen 100 amerikanische Soldaten an Bord um nach Europa zu gelangen. Auf dem Weg nach Liverpool wurde die JAGERSFONTEIN am Morgen des 26.06.1942 von einem Torpedo des deutschen Unterseebootes U-107 getroffen. Das Schiff sank nicht, sondern versuchte die Bermudas anzulaufen. Jedoch verschlechterte sich die Lage an Bord zusehends und um die Mittagszeit wurde das Schiff aufgegeben. Am Nachmittag kam U-107 zurück und schickte das Schiff mit einem zweiten Torpedo auf den Meeresgrund. Die ST. CERGUE nahm 209 Überlebende an Bord, darunter auch Frauen und Kinder. Kurz nach der Rettungsaktion erschreckte ein deutsches Unterseeboot die Besatzung und ihre Passagiere, als es an die Oberfläche kam und das Schiff umrundete. Endlich signalisierte es "bon voyage" und verschwand wieder unter Wasser. Die US-Soldaten wurden am folgenden Tag von einem amerikanischen Kriegschiff übernommen. Die übrigen Geretteten wurden nach Gibraltar gebracht und am 09.07.1942 an Land gegeben (das Schiff hatte nach dem Auslaufen in New York immer genügend Lebensmittel an Bord).
Am 25.03.1943 befindet sich die ST. CERGUE vor der brasilianischen Küste, auf einer Reise von Buenos Aires nach Genua und nimmt 22 schiffbrüchige Beatzungsmitglieder des schwedischen Frachters INDUSTRIA (1'688 BRT / Baujahr 1940) auf. Der Frachter wurde von U-518 torpediert. Die ST. CERGUE lief kurz den Hafen von Bahia an, um die Überlebenden an Land zu setzten.
Ein kurzer Moment von Panik und Durcheinander entstand auf der Reede von Gibraltar am 05.08.1943. Die ST. CERGUE lag am Anker und um sie herum lagen der norwegische Tanker THORSHOVDI (10'000 Tonnen), der Britische Frachter STANRIDGE (6'000 Tonnen) und der amerikanische Liberty Frachter HARRISON GRAY OTIS (7'000 Tonnen). Während der Nacht hatten italienische Kampfschwimmer Haftminen an diesen Schiffen angebracht, die bei Tagesanbruch explodierten. Offensichtlich muss das einen Riesenknall gegeben haben, die Besatzung der ST. CERGUE fierte schon die Rettungsboote, jedoch erlitt das Schiff keinen Schaden.
Ende September 1943 rettete die ST. CERGUE die Überlebenden des brennenden, portugiesischen Dampfers MELLO (4'020 BRT / Baujahr 1915) und schleppte ihn in den Hafen von Pernambuco, Brasilien (siehe auch unseren Bericht weiter unten).
Unterwegs im Südatlantik in der Nähe von den Kanarischen Inseln, fing die ST. CERGUE einen Hilferuf vom griechischen Dampfer NEREUS (5'205 BRT/ Baujahr 1937) auf, der vom KTA, Bern gechartert war. (Leider haben wir kein Datum). Die NEREUS hatte ihre Schraube verloren und brauchte Schlepperhilfe. Die ST. CERGUE schleppte die NEREUS trotz schlechter See nach Las Palmas, wo sie zwei Tage später wohlbehalten eintrafen.
Im Dezember 1951 wurde die ST. CERGUE an die Reederei Robert Bornhofen & Heinrich Bischoff, Hamburg verkauft und am 15.02.1952 den neuen Besitzern übergeben. Das Schiff erhielt den neuen Namen CLAUS BISCHOFF (Rufzeichen: DHRO, neue Tonnage: BRT: 4'332, NRT: 2'638, DWT: 7'600). Der Betrieb des Schiffes wurde von Robert Bornhofen Schiffahrts- und Hafenbetriebs GmbH wahrgenommen. Am 17.03.1952 wurde Robert Bornhofen der einzige Besitzer.
Im Februar 1956 wurde die Firma auf Partenreederei Claus Bischoff umbenannt und als Eignerfirma in Hamburg registriert. Im Dezember 1957 wurde der Dampfer an die Heinrich Bischoff Reederei in Hamburg übertragen.
Schlussendlich wurde das Schiff am 13.03.1962 nach Italien zum Abbruch verkauft. Am 18.06.1962 lief das Schiff in seinem letzten Hafen, in Monfalcone (bei Trieste) zum Verschrotten ein.
SwissShips-HPS-MB. Überarbeitet im September 2013
Zusätzliche Informationen und Geschichten
Reise von Rotterdam nach New York, Juli 1941
von Jan Maan
Diesen Bericht haben wir von Adriaan Maan erhalten, der in Australien lebt. Sein Vater Jan Maan war dritter Offizier auf der ST. CERGUE in 1941. Jan Maan wurde 1916 in Schiedam geboren und nach seiner Flucht aus Holland liess er sich in Melbourne, Australien nieder. Nach dem Krieg kehrte er für kurze Zeit nach Holland zurück um sein Kapitänspatent zu machen. Nach seiner Abmusterung auf der ST. CERGUE in New York, heuerte er bei der K.P.M. (Koninklijke Paketvaart Maatschappij) an, wo er bis zu seinem Ruhestand zur See fuhr und hauptsächlich Asien, Indien, Japan, Afrika und Australien bereiste. Er verstarb in 2004. Jan Maan schrieb seine Erinnerungen in den siebziger und achtziger Jahren und wir danken seinem Sohn Adriaan für seine freundliche Genehmigung seinen Bericht in unserer Webseite zu veröffentlichen. Beachte, Jan Maan schrieb den Schiffsnamen immer mit einem Q, also ST. CREQUE. Hier sein gekürzter Bericht:
Während der deutschen Besetzung der Niederlande waren viele Dinge nicht mehr erlaubt, es gab ein Ausgangsverbot ab 22:00 Uhr und es war nicht erlaubt den britischen Radiosender BBC zu hören. Allerdings hörten die meisten Holländer das BBC Program "Radio Oranje". In diesen Sendungen wurde auch über die holländischen Schiffe und deren Besatzungen, sowie über deren Heldentaten für die alliierte Sache gesprochen.
Ich war bestimmt kein heldenhafter Typ, aber ich begann ernsthaft darüber nachzudenken, nach England zu entkommen und der holländischen Handelsmarine beizutreten. Wenig realisierte ich, dass mein Wunsch schon bald in Erfüllungen gehen würde und ich einfach auf einem Schiff anheuern würde und nach New York fahren würde, sogar, glaubt es oder nicht, mit der Erlaubnis der deutschen Besatzungsbehörden.
Mein Vater war Angestellter beim Hafendienst in Schiedam und musste oft Post zu ausländischen Schiffen bringen. Unter diesen Schiffen befand sich auch die ST. CERQUE, ein panamesischer Frachter, der einer Schweizer Getreidehandelfirma gehörte. Sie lag an den Bojen im Wilheminahaven in Schiedam. Sie war schon seit 1938 hier aufgelegt. Ihre Mannschaft, hauptsächlich Belgier und Italiener waren nach Hause geschickt worden, ausser vier Schweizer, der Kapitän, der Funker, der Chief Steward und der Bootsmann. Manchmal geschah es, wenn ich meinen Vater für eine Runde durch den Hafen begleitete, dass ich Post beim Kapitän dieses Schiffes abliefern musste. Von 1938 bis 1941 sah ich diesen Frachter fast täglich, mit jedem Tag wurde er rostiger und rostiger *).
Anfangs 1941 hörte ich die ersten Gerüchte, dass die ST. CERQUE in Kürze auslaufen soll und dies mit Genehmigung der Deutschen. Da ich mein Patent als 3. Steuermann an Weihnachten 1940 erhalten hatte, fragte ich den Kapitän bei der ersten Gelegenheit, mich als 3. Offizier anzumustern. Er aber lehnte ab und meinte, die Deutschen würden es nicht erlauben, Seeleute aus besetzten Ländern anzumustern und er müsste eine Mannschaft aus der Schweiz anheuern. Dies war ein harter Schlag für mich, aber einige Monate später sah man immer noch keine Anzeichen einer Schweizer Crew.
Irgendwann im Juni 1941, ich war mit meinem Fahrrad in Schiedam unterwegs, begegnete ich Erik Ruyer, dem Sohn des Hafenkapitäns. Wir hielten nicht an um zu sprechen, aber er rief mir zu, morgen würde eine Besatzung für die ST. CERQUE in den Büros von Van Millingen Steamship Company in Rotterdam angemustert. Diese wenigen Worte änderten mein weiteres Leben gänzlich.
Am nächsten Morgen war ich früh unterwegs, um die Show nicht zu verpassen, um 08:30 war ich im Büro von Van Millingen. Zu meiner Überraschung fand ich den ganzen Korridor gefüllt mit Männern und Rauch. Wie konnten so viele Leute über die ST. CERQUE Bescheid wissen? Ich guckte mich in der Menge um, aber keiner dieser Männer sah aus wie ein Offizier, was meine Hoffnungen beflügelte. Nachdem ich ungefähr eine Stunde gewartet hatte, traf der Kapitän ein, gefolgt von einem jungen, gut gekleideten Mann, ungefähr in meinem Alter. Als sie das Büro betraten, folgte ich ihnen, vor sie die Türe vor meiner Nase dicht machen konnten. Als wir vor dem Angestellten standen, drehte sich der Kapitän um und fragte den jungen Mann "Dritter, wo ist der Zweite und warum ist er nicht hier?" Der Dritte meinte, der Zweite hätte einige Probleme mit seiner Familie und sie wollten ihn eigentlich nicht gehen lassen. In diesem Moment erkannte mich der Kapitän und sagte dann "nun denn, wenn er nicht kommen will, dann mustern sie als Zweiter an und sie Maan, als Dritter", ich konnte meinen Ohren kaum glauben. Der Angestellte nahm meine persönlichen Daten auf und sagte mir, zuerst müsste ich zum deutschen Hafenkapitän und die Bewilligung einholen um auf einem panamesischen Frachter anzumustern. Er stellte mir einige knifflige Fragen, zum Beispiel, ob ich je in Amerika achtern raus gesegelt wäre. Als er befriedigt war, gab er mir ein Dokument mit einem deutschen Stempel und beauftragte mich, damit zum holländischen Hafenkapitän zu gehen. Hier musste ich meinen Pass abgeben und er händigte mir eine Quittung aus, mit der ich beim panamesischen Konsul meine Anmusterung unterschreiben konnte. Den Pass wegzugeben bedeutete staatenlos zu sein, aber das war mir im Moment absolute gleichgültig. Ich hatte jetzt einen panamesischen Heuervertrag, geschrieben in deutscher Sprache, ich war bereit auf See zu gehen.
Wenn ich den Leuten jetzt erzählte, dass ich in Kürze dieses besetzte Land auf einem Schiff mit Ziel Amerika verlassen werde, so glaubte mir das niemand und sie dachten wohl, ich wäre reif für das Irrenhaus. Alle sagten mir, die Deutschen würden uns niemals ziehen lassen und dass die Besatzung unter falschen Vorwänden angelockt werde, um in der Ostsee für ihre eigenen Interessen zu fahren. Nun, ich muss freimütig zugeben, ich war mir da auch nicht so ganz sicher über die ganze Sache, aber ich war bereit das Wagnis einzugehen.
Zudem bezahlte die K.P.M. (Koninklijke Paketvaart Maatschappij) alle meine Ausgaben und zusätzlich eine kleine Heuer während meiner Studienzeit, ich war also in deren Diensten. Allerdings hatte die K.P.M. keine Möglichkeit, mich auf eines ihrer Schiffe in Indonesien zu bringen, somit hatte ich keine Schuldgefühle um auf der ST. CERQUE anzuheuern.
Einige Tage vor der geplanten Ausfahrt war ich an Bord um zu tun, was immer nötig war und um mich mit dem Schiff vertraut zu machen. Während dieser Tage sah ich wenig von der Mannschaft, ausser den Deckoffizieren und den Maschinisten. Mit meinem letzten Geld kaufte ich mir einen Sextanten, der trotz aller Auf und Ab in meiner Karriere immer noch in meinem Besitz ist und heute schon fast ein Museumsstück geworden ist.
Am Morgen des Abfahrtstages brachte mich mein Vater mit seiner kleinen Barkasse zum Schiff. Während der kurzen Überfahrt fühlten wir wohl beide den Schmerz der Trennung für eine lange Zeit, wenn nicht sogar für immer. Mein Vater ergab sich nicht leicht seinen Gefühlen, seine Abschiedsworte vor ich an Bord ging waren "lebe wohl Jan, es fällt mir schwer dich gehen zu lassen".
Am Abfahrtstag war der Landgang um 08:00 beendet, alle Offiziere waren an Bord wie befohlen, aber von der Mannschaft, beiderseits an Deck und in der Maschine, war kein kein einziger Mann an Bord. So gegen 11:00 kamen drei Wagen mit deutschen Marineoffizieren, die vom Kapitän an der Gangway begrüsst wurden. Er sagte ihnen, dass die Mannschaft immer noch an Land sei und "parkte" die Offiziere im Salon, wo sie mit Schnaps bei Laune gehalten wurden. Um 12:30 war immer noch kein Anzeichen von der Crew und die Geduld der Offiziere sank ungefähr proportional zum Pegel in den Schnapsflaschen. Offensichtlich verlor der Kapitän auch langsam seine Geduld und sagte "Mister Maan, gehen sie an Land und holen sie die Mannschaft". Ich dachte der Alte ist verrückt geworden, wo zum Teufel soll ich diese 17 Mann suchen, die ich nicht einmal kannte? Vor ich etwas erwidern konnte, fuhr der Kapitän fort "nehmen sie die drei Wagen der Deutschen und sagen sie den Fahrern, sie sollen sie zur Kneipe "The Golden Crown" bringen. Dort werden sie die ganze Bande finden, wo sie sich bis zur Bewusstlosigkeit besaufen".
Ich war in Schiedam geboren, aber diesen Pub kannte ich nicht. Auch heute, während ich diese Geschichte schreibe (40 Jahre später), wundere ich mich, wie dieser Schweizer Kapitän genau wusste, wo sich seine Mannschaft zum gegebenen Zeitpunkt aufhielt. Mit der Erlaubnis der deutschen Offiziere, fuhren wir zur besagten Kneipe im Zentrum von Schiedam. Als ich die Türe der Spelunke öffnete, wusste ich, das wird nicht einfach werden. Eine dicke Wolke von Tabakrauch rollte durch die Türe und durch den starken, blauen Qualm sah ich die Gaststube voll Männer und Frauen, alle besoffen wie tausend Russen. Der Lärm war ohrenbetäubend und es war mir nicht klar, wie ich diesen besoffenen Haufen nach draussen und an Bord bringen könnte. Durch den Nebel entdeckte ich hinter dem Tresen einen grossen, starken Kerl, der den Anschein erweckte, einigermassen nüchtern zu sein. Ich näherte mich dem Burschen und erklärte ihm, dass die Deutschen an Bord auf die Mannschaft warteten und dass wir diese grosse Gelegenheit das besetzte Land zu verlassen nicht missen sollten. Er war vernünftig genug und überraschend schnell waren die Männer draussen auf der Strasse. Etwas mit dem ich nicht gerechnet hatte, waren die Frauen, sie wollten ihre Männer nicht gehen lassen, sie weigerten sich einfach, sie gehen zu lassen, ohne dass sie dabei waren. Mir und dem grossen Kerl blieb nichts anderes übrig, als noch vier Taxis zu bestellen. Die Fahrt zurück zum Hafen war eine fröhliche, ausgelassene Tour, sieben Autos voller besoffener Männer und Frauen, alle singend und schreiend. Die deutschen Fahrer hatten wohl Gefallen gefunden an diesem kleinen Intermezzo und stoppten bei der letzten Kneipe vor dem Hafen. Die Männer begannen aus den Wagen zu klettern, aber wir konnten glücklicherweise diesen durstigen Haufen wieder zurück in die Autos drängen.
Endlich an der Gangway angelangt, durften wir nicht an Bord, bis der deutsche Suchtrupp seine Arbeit beendet hatte. Nichts Verdächtiges wurde gefunden, der Suchtrupp verliess den Dampfer befriedigt. Eine Wache wurde an der Gangway aufgestellt. Die Einzigen, die unten bei der Gangway rumhängten, waren die Damen, die eimerweise Krokodilstränen weinten. Mittlerweile war es ungefähr 16:00 geworden und der Kapitän sagte, dass das Auslaufen jetzt auf den nächsten Morgen auf 04:00 früh verschoben worden sei. Als die Damen diese Ansage hörten, gingen einige der Frauen zum deutschen Wachsoldaten und fragten, ob sie Erlaubnis erhalten könnten, bis zum Auslaufen an Bord bleiben zu dürfen. Der Wachmann, selber ein Seemann, muss ihre Gefühle verstanden haben und gab sein Einverständnis. Die weinenden Mädels kamen an Bord und erlaubten ihren Männern ein letztes Schäferstündchen, vor das gefährliche Geschäft ein Schiff in Kriegszeiten zu fahren begann.
Am nächsten Morgen um vier Uhr, es war der erste Juli, das Schiff bereit zum Auslaufen. Die Schlepper bugsierten uns aus dem Wilhelminahaven auf die Maas hinaus, wo wir unsere Position in einem Konvoi einnahmen. Fünfzehn Schiffe, uns mitgezählt, fuhren langsam den Fluss hinunter, begleitet von sechs deutschen Zerstörern. Wir alle hatten die Geschichten von deutschen Geleitzügen längs der holländischen Küste gehört, die von der RAF (Royal Air Force = britische Luftwaffe) fast gänzlich aufgerieben wurden. Wir wussten nicht, wie weit dies der Wahrheit entsprach, aber wir waren auf das Schlimmste vorbereitet. Um 08:00 Uhr, wir hatten gerade den Wellenbrecher von Hoek van Holland passiert, wurde der Dampfer von einer fürchterlichen Explosion geschüttelt. Der 1. Offizier und ich, wir kamen gerade von Wache, rannten aus unseren Kabinen und sahen noch eine riesige Fontäne von Wasser und Schlamm in sich zusammenfallen. Der Kapitän und der Zweite auf der Brücke sagten uns, dass ein Zerstörer eine treibende Mine entdeckte und sie mit einer Maschinengewehrsalve zur Explosion gebracht hätten. Da wir nicht an den Seekrieg gewöhnt waren, war dies genug um unsere Nerven blank zu legen.
Nachdem wir die Hafeneinfahrt hinter uns gelassen hatten, wurde die Formation des Konvoi geändert, von einer Line wechselten wir zu drei Linien von je fünf Schiffen. Es war nur ein Tag um den Eingang zum Kaiser-Wilhelm-Kanal (Nord-Ostsee-Kanal) zu erreichen, es war jedoch ein wunderschöner Sommertag, ein perfekter Tag für die RAF oder die Royal Navy um uns alle auszulöschen. Die Zerstörer begleiteten uns den ganzen Tag und Fliegerschutz konnten wir auch ausmachen. Wir schipperten mit ungefähr 9 Knoten der holländischen Küste entlang ohne irgendwelchen Zwischenfall. Nicht mancher Seemann kann von sich sagen, er wäre in feindlichen, wie auch in alliierten Geleitzügen gefahren. In jedem Fall, ich denke wir waren nie so gut beschützt in alliierten Konvois gefahren, wie an diesem Tag mit der deutschen Kriegsmarine.
Am folgenden Tag fuhren wir in den Kaiser-Wilhelm-Kanal ein und der Kanallotse teilte uns mit, dass wir in Kiel auf weitere Befehle des Marinekommandos Kiel zu warten hätten. Wir gingen in der Bucht von Kiel an Anker und sofort kamen einige bewaffnete Wachsoldaten an Bord. Wir warteten am Anker ohne ein Wort zu hören und unsere Zweifel jemals New York oder Buenos Aires zu sehen wuchsen zusehends. Uns machte es jetzt den Anschein, dass wir wohl für die Deutschen in der Ostsee herumfahren müssten. Nichts was wir dagegen tun konnten, wir nahmen das Risiko auf uns und konnten nur für das Beste hoffen.
Am 05.07.1941, es war ein Samstagmorgen kam eine Marinebarkasse längsseits, um den Kapitän abzuholen und zur Befehlsausgabe an Land zu bringen. Jeder war jetzt besorgt, mit welchen neuen Befehlen der Kapitän wohl zurückkehren würde. Einige Stunden später kam er zurück mit der einzigen Neuigkeit, dass wir alleine nach Arendal in Südnorwegen zu fahren und für weiter Befehle zu warten hätten. Dies waren keine guten Neuigkeiten, war Norwegen doch nur ein weiteres, von den Deutschen besetztes Land. Am Sonntagmorgen begannen wir unsere Reise entlang der dänischen und schwedischen Küste. Wieder war das Wetter schön und wir konnten die Schweden am Strand sehen, die den Sonntag genossen, ohne sich Gedanken zu machen, dass sie unter den deutschen Stiefeln zertrampelt würden.
Am späten Montagnachmittag gingen wir in Arendal vor Anker. Obgleich auch ein besetztes Land, machte die Szenerie hier in Südnorwegen einen bedeutend ruhigeren und friedlicheren Eindruck. Nachdem der Dampfer am Anker lag, beobachten wir, wie Ruderboote ablegten und in unsere Richtung zu fahren begannen. Als sie näher kamen, hängte die ganze Mannschaft an der Reling. Zu unserer grossen Überraschung waren die Insassen keine Männer, sondern junge, grosse und blonde Norwegerinnen. Als sie in Rufnähe waren, fingen sie an in ihrer Sprache zu schnattern, hin und wieder mit einem englischen Wort dazwischen. Als wir das Wesentliche ihrer Ansage verstanden hatten, war es klar, sie wollten Fisch gegen Zigaretten und Tabak eintauschen. Erstaunlich in Holland waren Raucherwaren sehr knapp, aber jetzt kamen plötzlich Zigaretten in rauen Mengen zum Vorschein und es gab auch viel Fisch dafür. Es verging nicht viel Zeit, bis die Janmaaten merkten, dass die Mädels auch mit anderer "Ware" handelten. Dies kam den Seeleuten sehr gelegen, anscheinend hatten die Deutschen vergessen eine Wache an Bord zu schicken und einer nach dem anderen verschwand mit einem Mädchen an Land, um nicht mehr zurückzukommen bis zum nächsten Morgen um sieben Uhr. Der Kapitän war zufrieden, dass alle zur Zeit wieder an Bord waren und machte keine Bemerkungen über die Eskapaden der Crew an Land.
Am gleichen Morgen verliessen wir Arendal und setzten wir unsere Fahrt fort, begleitet von einem Zerstörer. Ein deutscher Marineoffizier wurde an Bord geschickt um die Kommunikation zwischen uns und dem Kriegschiff zu gewährleisten. Wir hatten immer noch keine Ahnung, was die Deutschen mit der ST. CERQUE im Sinne hatten. Eines wussten wir, dass wir Richtung Bergen fuhren, wo wir am Mittwoch ankamen, es musste am oder um den 12.07.1941 gewesen sein**). Nichts geschah in Bergen, wir blieben für eine Nacht am Anker, dann setzen wir unsere Reise entlang der norwegischen Küste Richtung Norden fort. Kurz nach Mittag in der Nähe von Trondheim ***) erhielten wir den Befehl Kurs nach unserer Destination New York zu setzen. Ohne weiteres Aufheben wurde der Marineoffizier von Bord genommen und wir waren jetzt auf uns allein gestellt.
Nachdem der Kapitän diese grossartige, gute Neuigkeit vernommen hatte, bestellte er die ganze Mannschaft nach Mittschiffs. Als alle versammelt waren, erschien der Kapitän in unserer Mitte mit vier Flaschen holländischen Gins unter dem Arm, gefolgt von den zwei Stewards mit 27 Gläsern. "Männer" sprach der Kapitän "dies ist was zum feiern, von jetzt an sind wir auf uns allein gestellt, keine Deutschen, die uns den Nacken runter atmen. Keine Fahrt mehr mit abgedunkeltem Schiff. Ab jetzt sind Positionslichter und Scheinwerfer über beide Bordseiten gesetzt um den Schiffsnamen und die panamesische Flagge zu zeigen". Die Schnapsflaschen reichten nicht lange und unter Hurra und vielen guten Wünschen für eine sichere Fahrt für den Kapitän und für uns alle, wurde der Dampfer gedreht und der Bug auf Kurs Richtung New York gesetzt.
Unser erster Kurs wurde auf die Passage zwischen den Shetland- und den Färöerinseln gesetzt. Da es die Zeit des Hochsommers war und wir uns auf einer Breite von ungefähr 63° nord befanden, hatten wir kaum Dunkelheit während der Nacht, tatsächlich hatten wir nur ungefähr zwei Stunden Dämmerlicht um Mitternacht. Das Wetter war fein und der Nordatlantik lag ruhig wie ein Ententeich.
Ungefähr zwei Tage nach Trondheim an einem Montag ****) kurz vor dem Wachwechsel am Mittag, bemerkten der Kapitän und ich ein einmastiges Schiff am nördlichen Horizont. Zuerst dachten wir das müsste ein Segelschiff sein, jedoch fuhr es zu schnell. Als es näher kam dämmerte uns, dass dies ein Kriegsschiff war, schlussendlich war es der britische Kreuzer DEVONSHIRE. Mit einer Aldislampe wurden wir angemorst, das Schiff zu stoppen. Die Geschichten über deutsche Hilfskreuzer, getarnt als harmlose Handelsschiffe waren überall gegenwärtig und der Kreuzer gab sich keine Blösse. Alle seine Kanonen, gross und klein waren auf uns gerichtet. Der Kreuzer brachte ein Boot zu Wasser und schickte uns ein Prisenkommando von ungefähr 40 Marinesoldaten an Bord. Als das Boot bei uns längsseits kam, rief unser Kapitän zu dem britischen Offizier hinunter, was das alles sein soll und fragte ihn, ob er nicht wüsste, dass wir neutral wären und für die Schweiz fuhren mit der Genehmigung von den Deutschen und den Briten. Der britische Offizier meinte "very sorry" aber seine Befehle wären an Bord zu kommen. Als der letzte Mann an Bord geklettert war, kehrte das Boot unverzüglich zum Kreuzer zurück.
Die Befehle des britischen Offiziers waren weiterzufahren nach den Färöerinseln zu weiteren Durchsuchungen. Vor der Kreuzer aus unserer Sicht verschwand, signalisierte er noch, dass ein deutsches U-Boot in unserer Nähe lauerte, dies brachte unsere Besatzung und die britischen Marinesoldaten auf höchste Alarmstufe, glücklicherweise kam bald ein weiteres Signal, ein grosser Wal hatte einen falschen Alarm ausgelöst.
Am nächsten Tag ankerten wir auf der Reede einer Insel der Färöer Inselgruppe. Vier Marineoffiziere kamen an Bord und begannen die Besatzung im Salon zu verhören, einer nach dem anderen. Sie fragten, wer den holländischen Streitkräften in Grossbritannien beitreten wollte. Ich dachte mir, ausser nicht unter deutscher Besatzung zu sein, muss die Lage in England etwa die gleiche Misere sein, wie in Holland, aber in den USA herrscht immer noch Frieden und genügend Nahrung ist vorhanden. Das konnte ich ihnen natürlich nicht so erzählen, darum sagte ich ihnen, dass ich den Kapitän unterstützen möchte, das Schiff nach New York zu bringen. Diese Erklärung akzeptierten sie und liessen mich nachher in Ruhe.
Endlich verliessen wir die Färöerinseln und wir benötigten nochmals zehn Tage um New York zu erreichen. Im Gegensatz zu den alliierten Schiffen, die völlig abgedunkelt fuhren, fuhren wir jetzt mit voller Beleuchtung. Verschiedene SOS-Rufe von torpedierten Schiffen wurden während unserer Reise aufgefangen, aber wir waren immer zu weit entfernt, um Hilfe zu leisten. Obwohl das Wetter jetzt nicht mehr so ruhig und schön war, hatten wir trotzdem eine angenehme Überfahrt nach New York. Vor Neufundland wurden wir von einem amerikanischen Kriegsschiff angehalten, aber nachdem wir unseren Namen und unseren Bestimmungshafen bekannt gegeben hatten, liessen sie uns weiterfahren.
Wir erreichten New York am letzten Tag des Monats Juli. Es war ein fantastischer Sommernachmittag, als wir an der Freiheitsstatue vorbeizogen, in das Land der Freien, was in diesem Augenblick uns wohl mehr bedeutete als vermutlich der ganzen Bevölkerung der Vereinigten Staaten. Auch der Kapitän war zufrieden mit der Reise, vor allem aber mit den holländischen Heizern, machte die ST. CERQUE doch eine durchschnittliche Geschwindigkeit von 11 Knoten über den Nordatlantik, was anscheinend mit den anderen Besatzungen nie erreicht wurde, sie erreichten höchstens 9 Knoten.
Als wir festgemacht hatten, gingen alle an Land. In einem Pub, der von holländischen Fahrensleuten besucht wurde, hörten wir, dass keiner dieser Seeleute glücklich war in britischen Konvois zu fahren. Es wurde behauptet, die Britische Admiralität hätte die hinterlistige Angewohnheit, die britischen Schiffe in der Mitte der Konvois fahren zu lassen, während die Schiffe mit holländischer oder anderer Flagge am Rande eingeteilt wurden, um somit ein Schutzschild für ihre eigenen Schiffe zu bilden.
Einige Tage später besuchte ich das Büro der K.P.M. und Herr Borger, der lokale Vertreter versprach mir, den Transfer auf eines der Reedereischiffe zu organisieren. Ich ging zurück zur ST. CERQUE um ab zu mustern. Der Kapitän war in seinem Quartier und ich sagte ihm, dass ich auf eines der Schiffe meiner Reederei gehen möchte. Er meinte "kein Problem, aber warum wollen Sie nicht bei mir bleiben? Der 2. Steuermann ist weg und Sie können seine Stelle übernehmen und bekommen 240.- Dollars, amerikanische". Dies entsprach einer Heuer, von der man noch nie gehört hatte, aber was würde mit meiner Zukunft geschehen? Eine Zukunft auf der ST. CERQUE erschien mir zu unsicher, um es nur schon in Betracht zu ziehen. So nahm ich mein Geld und verabschiedete mich von Kapitän Gerber, einer der besten Männer mit denen ich je gefahren bin. Ich war ein bisschen traurig von Bord zu gehen, ich fuhr nur kurze Zeit an Bord, aber es war eine sehr angenehme Zeit und es kam mir zum Bewusstsein, dass es vielleicht lange gehen könnte, bis ich wieder mit so einem Gentleman fahren würde. Das war das Letzte, das ich von der ST. CERQUE und von ihrem Kapitän gesehen hatte.
Unsere Anmerkungen:
*) Ausser unsere Quellen würden sehr falsch liegen, hier irrt sich die Erinnerung von Jan Maan. Die ST. CERGUE kam am 03.05.1940 in Rotterdam an, kurz vor der deutschen Besetzung der Niederlande. Sie lag ein bisschen länger als ein Jahr in Rotterdam.
**) Sie fuhren am Morgen des 08.07.1941 von Arendal weg und die Distanz nach Bergen beträgt 262 Seemeilen, das entspricht 29 Stunden bei 9 Knoten. Sie müssten also am Mittwoch angekommen sein, aber es war der 09.07.1941.
***) Dies müsste am 11.07.1941 gewesen sein
****) Dies müsste am 14.07.1941 gewesen sein
Es ist sehr seltsam, aber Jan Maan erwähnt keine blinden Passagiere auf dem Schiff, als 3. Offizier hätte er eigentlich davon Kenntnis gehabt haben müssen. In jedem Fall, seine Geschichte weicht in verschiedenen Punkten ab von unseren Quellen (siehe auch den Hauptteil der Geschichte oben).
SwissShips-HPS, Jan Maan, September 2013
Die Bergung der MELLO, September, 1943
Ende September 1943 befand sich der alte portugiesische Dampfer MELLO (4'020 BRT / Baujahr 1915) mit einer Ladung von 5000 Tonnen Chilesalpeter (Natriumnitrat) auf der Reise von Chile nach Portugal. Am 29.09.1943 ungefähr acht Uhr abends und ungefähr 90 Seemeilen Nordnordost von der kleinen, brasilianischen Insel Fernado do Noronha brach Feuer an Bord aus und das Schiff wurde schwer beschädigt. Der Funker sendete ein SOS, das von der ST. CERGUE empfangen wurde, kurz vor ihr Funker seine Wache beendete. Die angegebene Position der MELLO war ungefähr 12 Stunden Fahrt entfernt. Die See war ruhig und das Wetter schön. Kapitän Gerber hatte zuvor abgemustert um Urlaub zu nehmen und sein Nachfolger war Kapitän De Brito, ein Portugiese mit Wurzeln in den Kapverdischen Inseln.
Die vorderen Laderäume gingen in Flammen auf, vermutlich entzündete sich Gas von der Ladung. Brennendes Gas fand seinen Weg auch in den Maschinenraum, der daraufhin verlassen werden musste. Die Besatzung machte sich daran, das Schiff zu verlassen. Das erste Boot mit 12 Personen konnte zu Wasser gelassen werden. Das Boot kam wohl gut von den Taljen los, aber das Schiff machte immer noch Fahrt voraus und das Boot und seine unglücklichen Insassen wurden von der sich drehenden Schraube erfasst und zermalmt. Die restliche Mannschaft weigerte sich die beiden andern Rettungsboote zu Wasser zu lassen, solange sich der Propeller drehte. Der dritte Maschinist Antonio Pereira meldete sich freiwillig in den Maschinenraum runterzusteigen und die Hauptmaschine zu stoppen. Er konnte die Maschine stoppen, jedoch erlitt er schwere Verbrennungen. Nun wurden die andern zwei Rettungsboote gefiert und die Mannschaft konnte den brennenden Frachter verlassen. Am nächsten Morgen nach einigen Stunden des Suchens, fand die ST. CERGUE das erste Boot und rettete 18 Mann. Nach den Aussagen dieser Männer befand sich das andere Boot mit dem Kapitän näher zur MELLO, also weiter gegen Osten. Geleitet von einer Rauchsäule, wurde am Nachmittag das zweite Rettungsboot mit 11 Männern gesichtet und die Leute an Bord genommen. Einige waren schwer verbrannt, ein Mann verstarb vorher schon im Boot.
Die ST. CERGUE verblieb den ganzen Tag und sowohl den ganzen folgenden Tag in der Nähe der immer noch brennenden MELLO, man hoffte, dass das Feuer von selber ausgehen würde. Während die ST. CERGUE am Treiben war, wurden von den Seeleuten ungefähr 20 Haie gefangen, an Deck gehievt und mit schweren Eisenstangen tot geschlagen. Ihre Bäuche wurden aufgeschlitzt - nun das ist vermutlich Seemannsgarn - und mit Entsetzen wurden die grässlichen Überreste der Kameraden gefunden, die von der Schiffsschraube zerschmettert wurden.
Am 02.10.1943 konnte endlich eine Gruppe von sechs Seeleuten an Bord der MELLO gehen und eine Schleppleine am Heck festmachen. Drei Mann blieben an Bord der MELLO und das Schleppen begann. Am nächsten Morgen brach die Schleppleine. Trotz der Gefahr von möglichen Explosionen, gingen die drei Mann auf das Vorschiff und es gelang, einen Stahldraht an der backbord Ankerkette festzumachen. Die Ankerkette wurde gefiert um dem Schleppdraht mehr Elastizität zu geben. Am 07.10.1943 erreichte der Schleppzug Natal, jedoch wurde die Einfahrt in den Hafen verweigert. Der Kapitän beschloss, weiter gegen Süden nach Recife (Pernambuco) zu fahren. Am 09.10.1943 fuhren die beiden Schiffe in den Hafen von Recife und die sieben Verletzten konnten in Spitalpflege gegeben werden.
Ein grosser Teil der Ladung und das Schiff konnten gerettet werden, der Kapitän, die Besatzung und die Schiffseigner konnten eine gute Bergungsprämie einkassieren. Die S/S MELLO wurde wieder repariert und verblieb im Dienst bis in die sechziger Jahre.
SwissShips, A. Tschui, HPS, September 2013
Erik Hazelhoff Roelfzema
Erik Hazelhoff Roelfzema war ein holländischer Schriftsteller, RAF-Pilot und ein Mitglied des holländischen Widerstandes. Er wurde in Surabaya, Java in 1917 geboren und verstarb in 2007.
Beim Ausbruch des 2 Weltkriegs war er Rechtsstudent an der Universität Leiden. Nach der Besetzung der Niederlande schloss er sich dem holländischen Widerstand an. Er floh aus Holland an Bord der ST. CERGUE und kam über die Färöer Inseln nach Grossbritannien. Hier wurde er Kampfpilot in der RAF. Auch arbeitete er weiterhin für den holländischen Widerstand in London. Es scheint, sie waren eine kleine Gruppe von vier Leuten an Bord, Erik Hazelhoff Roelfzema, Bram van der Stok, ein berühmter holländischer Kampfpilot (1915 - 1993) und zwei Andere.
In 1970 veröffentlichte er ein Buch, "Soldaat van Oranje", wo er seine Abenteuer während der Kriegszeit beschrieb, seine Flucht auf der ST. CERGUE mit eingeschlossen (beachte, er schrieb den Schiffsnamen immer als ST. CERQUE). Sieben Jahre später wurde die Erzählung unter dem gleichen Namen "Soldaat van Oranje" verfilmt. Der Film erreichte grosse Beachtung in den Niederlanden, aber auch international.
SwissShips-HPS, September 2013
Film "Soldaat van Oranje", 1977
In 1977 wurde in den Niederlanden ein Film gedreht "Der Soldaat van Oranje", Regie führte Paul Verhoeven mit Rutger Hauer in der Hauptrolle als Erik Hazelhoff Roelfzema. Dieser Film erntete grosse Beachtung in der Öffentlichkeit in Holland, aber wurde auch im Ausland sehr beachtet.
Für den Filmausschnitt an Bord der ST. CERGUE wurde der alte französische Küstentanker ESSO PORT JEROME eingesetzt. Sie wurde in 1947 in St. Nazaire, Frankreich gebaut und hatte eine Tragfähigkeit von 2'650 Tonnen.
Photoherkunft / Photosource: © Soldaat Van Oranje
Photoherkunft / Photosource: © Unbekannt / Unknown / © SwissShips / Archiv
Nachdem der Film gedreht war, wurde der Tanker in 1979 in Hendrik Ido Ambacht verschrottet, eine kleine Stadt ungefähr 20 km stromaufwärts von Rotterdam. Die Brücke des Tankers wurde abgebaut und stand für ungefähr 20 Jahre am Stationsplein, dem grossen Platz vor dem Rotterdamer Hauptbahnhof (Rotterdam Centraal).
Die Brücke am Rotterdamer Hauptbahnhof (Rotterdam Centraal)
Photoherkunft / Photosource: Unbekannt / Unknown / © SwissShips / Archiv
In 2000 wurde der Brückenaufbau wieder versetzt, diesmal zum Boompjes, ein Quai am Flussufer im Herzen von Rotterdam. Er wird gegenwärtig als Restaurant und Bar für die grosse Baufirma DRVM, De Rotterdamsche Vastgoed Maatschappij www.drvm.nl genutzt.
Photoherkunft / Photosource: © Unbekannt / Unknown / © SwissShips / Archiv
SwissShips-HPS, September 2013