Schiffsgeschichte
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Die S/S NEVADA war ein Liberty-Dampfer, ein serienmässig produzierter Schiffstyp, um die von den deutschen U-Booten im 2. Weltkrieg versenkten alliierten Frachter zu ersetzen (die ersten serienmässig gebauten Frachtschiffe gab es schon im ersten Weltkrieg in den USA, aber in bedeutend kleinerer Anzahl). Basierend auf einem englischen Entwurf, wurden auf verschiedenen Werften in den USA total 2751 Schiffe von 1941 bis 1945 gebaut. Die Schiffe erhielten Namen von verstorbenen US Bürgern, die sich in irgendeiner Weise um ihr Land verdient gemacht hatten.

Gebaut anfangs 1945 von New England Shipbuilding Corp., South Portland, Maine, USA als LAWRENCE T. SULLIVAN für die US Maritime Commission. Lawrence Timothy Sullivan war ein amerikanischer Seemann. Er diente als dritter Decksoffizier auf dem amerikanischen Frachter LEMUEL BURROWS der am 14.03.1942 vor Atlantic City von U-404 torpediert wurde. Sullivan und 19 andere Seeleute verloren ihr Leben im eiskalten Wasser, nur 14 Mann überlebten. Die Taufpatin war die Mutter Mrs. Susan Sullivan.

Als BELGIAN AMITY im April 1945 in Bare Boat Charter an den belgischen Staat übergeben und unter belgischer Flagge in Dienst gestellt und von Agence Maritime International S.A., Antwerpen betrieben.

Im Dezember 1946 verkauft an die Companie Maritime Belge SA (Lloyd Royal) und im Januar 1947 in CAPITAINE LIMBOR umbenannt. Das Management blieb dasselbe und auch weiterhin unter belgischer Flagge verblieben (Rufzeichen: ONCF). Der Name erinnert an den Kommandanten Kapitän Charles Limbor, des am 24.12.1944, durch U-486 versenkten Truppentransporters LEOPOLDVILLE. Der Kapitän, 55 Besatzungsmitglieder und 763 US-Soldaten kamen bei dem Untergang 5,5 Seemeilen vor Cherbourg ums Leben (diese Opferzahlen sind nicht genau belegt).

Am 12.03.1959 gestrandet bei der Insel Tiran im Golf von Akaba. Flottgebracht am 22.03.1959.

Am 05.09.1962 in Antwerpen nach Panama ausgeflaggt und in CAPITAINE umbenannt (registrierter Eigner: Soc. Pan Europea S.A. Panama, (Management: Soc. per Azione Industria Armamento, Genua). Rufzeichen: HOFM).

Im Oktober 1962 durch Keller Shipping AG, Basel erworben, in NEVADA umbenannt, aber weiterhin unter Panama Flagge belassen (Registrierter Eigner: Nevada Shipping Co. Ltd. Panama, Register Nr.: 3649 G, Rufzeichen: HOFM). Die NEVADA war im Mittelmeer - Westafrikadienst der Nautilus-Line eingesetzt. Die Besatzung bestand hauptsächlich aus Italienern, aber ab und zu war auch ein Schweizer dabei.

Im Frühjahr 1971 wurde der Dampfer an spanische Abbrecher (A. Perez Iborra) verkauft. Am 10.04.1971 lief die NEVADA zum Verschrotten in Gandia bei Valencia ein.

Quellen:
- Deedy.com.blog
- Uboat.net

SwissShips, MB, HPS, März 2017

Zusätzliche Informationen und Geschichten

Erinnerungen von H.P. Schwab als 3. Machinist (secondo di macchina)

von Hans-Peter Schwab

Gemäss meinen noch vorhandenen Notizen, gesammelt als dritter Maschinist aus den vorhandenen Unterlagen an Bord der NEVADA von 09.05.1970 bis 28.08.1970, waren einige der Hauptdaten wie folgt:

- Bauwerft: New England Shipbuilding Corp., South Portland, Maine, USA
- Erster Eigner: US Maritime Commission
- Abgeliefert: März 1945
- Bau Nr: 3102
- Original Name: Lawrence T. Sullivan
- Net Tonnage: 4380
- Deadweight: 10'874 mt
- Ladegeschirr: 1 x 50 tons SWL (Safe Working Load) Schwergutbaum "Jumbo"
1 x 15 tons SWL Schwergutbaum "Jumbo", 12 x 5 tons Ladebäume
12 Dampf-Ladewinden

- Maschinenbauer: Worthington Pump and Machinery Corp., Harrison, New Jersey,
USA
- Maschine gebaut: 1944
- Maschinentyp: Dreifachexpansions Kolbendampfmaschine
- Zylinder Bohrung: 24,5 / 37 / 70 inches oder 622 / 940 / 1778 mm (HD / MD / ND Hoch-, Mittel-, Niederdruck Zylinder)
- Hub: 48 inches oder 1219 mm
- Leistung: 2500 IHP bei 76 U/min
- Kessel: 2 Babcock & Wilcox "section-header" Wasserrohrkessel mit Überhitzer (superheater), 4 Brennern pro Kessel
- Dampfdruck: 220 p.s.i. bei 450 °F oder 15,5 kg/cm2 bei 232 °C

Wie die anderen Kompanieschiffe war auch die NEVADA im Mittelmeer - West Afrikadienst eingesetzt. Wegen der kleinen Geschwindigkeit des Schiffes war der südlichste Hafen meistens Douala in Kamerun, von wo der Dampfer wieder nordwärts fuhr. Auch wurde gesagt, dass wegen der kleinen Maschinenleistung die NEVADA gegen die starke Strömung auf dem Kongo nie nach Matadi fahren könnte. Kapitän war Charles Beck und ein Schweizer Messboy aus der Romandie fuhr ebenfalls mit.

Der Dampfer hatte noch kein Radar und während der tropischen Regengüsse in Afrika, stellte der Offizier auf der Brücke den Maschinentelegraphen auf "Stand-by". Meistens hatte er jedoch nachher vergessen der Maschine Bescheid zu geben und nach Wachende wenn man an Deck kam, schien entweder die Sonne oder der Mond.

Die Hauptmaschine war eine Dreifachexpansions-Kolbendampfmaschine mit 3 Zylindern. Der Kurbeltrieb war komplett offen und hatte keine Druckschmierung. Eine Maschinenwache bestand aus 3 Mann, einem Maschinist, einem Heizer und einem Schmierer. Die Lager wurden vom Schmierer alle 20 Minuten mit einer grossen Ölkanne geschmiert und der Maschinist musste die Lagertemperaturen von Hand abfühlen. Das Pleuellager wurde mit der gleichen Methode kontrolliert (im Zwischenraum zwischen Kurbelwange und Lager) und wer unachtsam war, bekam von der laufenden Maschine "eines auf die Finger geklopft".

Flache Ölschalen waren auf den Hauptlagern und an den Seiten der Kreuzköpfe angebracht. Die Ölschalen an den Kreuzköpfen dienten auch für die Schmierung der Pleuellager (12 Spritzer aus der Ölkanne für den Kreuzkopf und 18 Spritzer für das Pleuellager alle 20 Minuten). Das Schmieröl wurde für jede Wache in einem separaten, kleinen Tank (ungefähr 7 bis 10 Liter Inhalt) aufbewahrt und der Tank wurde mit einem Vorhängeschloss gesichert. Ein Schlüssel befand sich im Besitz des Donkeyman und der zweite Schlüssel war beim Wachmaschinisten. Täglich kontrollierte der Caporale (Donkeyman) die Tanks und füllte sie wieder auf, meistens mit einem riesigen Geschimpfe über die "fürchterliche Vergeudung von teurem Öl".

Die Kessel wurden mit Schweröl geheizt und verglichen mit dieselgetriebenen Schiffen, hatte der Dampfer einen gewaltigen, täglichen Brennstoffverbrauch von ungefähr:

- Auf See, normale Geschwindigkeit 26-30 mt
- Im Hafen mit allen Winden im Betrieb während 24 Stunden 16-20 mt
- Im Hafen oder am Anker, ein Kessel gestoppt, keine Winden im Betrieb 10-12 mt

Der Maschinenraum war verhältnismässig sehr ruhig, verglichen mit einem modernen Motorschiff. Anderseits war die Maschine sehr heiss, mit Temperaturen in Westafrika bis zu 57 - 58 °C beim Maschinenkontrollstand. Keine Maschinenventilatoren waren installiert und Frischluft für den Maschinenraum wurde einzig durch die 4 Windhutzen auf dem Bootsdeck zugeführt.

Der Dampfer hatte 3 Dampfdynamos (die Kolbendampfmaschine hatte ein geschlossenes Gehäuse, der Dynamo war jedoch in offener Bauweise) die Gleichstrom für Beleuchtung und für die vier Elektromotoren an Bord lieferten. Die Elektromotoren waren die FW-Hydrophorpumpe, der Proviantkompressor, der kleine Ventilator in der Maschinenwerkstatt und eine transportable Pumpe. Für Schweissen und Elektrobrennen an Deck musste ein zweiter Dynamo gestartet werden. Vor man den Dynamo in Betrieb nahm, musste man nachsehen, ob keine Mäuse oder Ratten sich in dem offenen Dynamogehäuse eingenistet hatten. Offensichtlich glaubten diese Tierchen, hier eine bevorzugte Wohnlage gefunden zu haben.

Die Dampfwinden gaben viel Arbeit, um sie am Leben zu halten. Oberstes Gesetz war, nie zu versuchen irgendwelche verrosteten Bolzen oder Muttern mit dem Schlüssel oder gar mit einem Rohraufsatz zu lösen, sondern die Muttern gleich elektrisch abzubrennen. Der Sinn dahinter war, die Gussteile nicht bis zum Bruch zu belasten. Auch wurden beschädigte Gussteile, Zahnräder und Anderes nicht weggeworfen, sondern in der Rudermaschine gestapelt. Bei der nächsten Reparatur konnte man dann das beste Stück wieder rausholen und wieder einbauen. Das klingt heute verrückt, aber die Dampfwinden konnten das ab, mit heutigen Winden wäre das nicht mehr möglich.

Ich hoffe, dass diese Notizen eine kleine und faire Einsicht in die Betriebsbedingungen der NEVADA geben. Allerdings mag nach 47 Jahren in meinen Erinnerungen nicht mehr alles genau stimmen und jemand mag sagen "aber das war doch so …". In diesem Fall ist jedermann eingeladen seine Korrekturen und Bemerkungen anzufügen.

SwissShips, HPS, März 2017

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