Die ANUNCIADA mit der Baunummer 759 wurde von der traditionsreichen, britischen Werft William Doxford & Sons Ltd. Pallion, Sunderland, England im Auftrag von Alpina Transports et Affrètments S.A. Antwerpen und der Companhia Suissa de Navegaçao Lda., Lisboa, Tochtergesellschaften der Schweizerischen Reederei AG Basel gebaut. Der Stapellauf erfolgte am 10.12.1947 und der Frachter wurde von Frau Anunciada Mari Pino, der Tochter von Direktor Ramon Mari Pino der Companhia Suissa de Navegaçao Lda. auf den Namen ANUNCIADA getauft. Im Juli 1948 wurde das Schiff fertig gestellt und an seine Eigner Anunciada Shipping Co. Inc. Panama abgeliefert, eine Firma die Ramon Mari Pino und den Genfer Banken Pictet & Co. und Ferrier Lullin & Co. gehörte. Der Betrieb der ANUNCIADA wurde von der Alpina Transports et Affrètments S.A. in Antwerpen wahrgenommen und sie wurde unter der Flagge von Panama registriert (Register Nr. unbekannt, Rufzeichen: HPDH).
Am 13.04.1949 wurde die ANUNCIADA ohne Änderung des Namens in das Eigentum der Reederei Transports Maritimes Suisse-Outremer S.A., Genf, Schweiz übertragen und unter Schweizer Flagge registriert (Register Nr.: 23, Rufzeichen: HBDM).
Am 01.01.1953 wurde das Management des Schiffes zur neugegründeten Betriebsgesellschaft Suisse-Outremer S.A. de Gérance et Affrètments Maritimes in Genf abgegeben.
Die ANUNCIADA war ein Frachtmotorschiff, wie sie wohl zu hunderten in den vierziger und fünfziger Jahren in Grossbritannien gebaut wurden, mit Brücke und Maschine mittschiffs, getrennt durch Luke 3. Der Antrieb erfolgte mit einem Dieselmotor von Doxford mit Gegenkolben (opposed piston engine). Der Hilfsbetrieb im Maschinenraum und auf Deck (Anker- und Ladewinden) wurde grössten teils mit Dampf betrieben, erzeugt in einem Flammrohrkessel (Scotch boiler). Für Hafen- und Ankerliegezeiten ohne Ladebetrieb stand ein kleiner Hilfskessel zur Verfügung. Gleichstrom wurde mit Dampfdynamos erzeugt und spielte eine untergeordnete Rolle, primär nur für die Beleuchtung und für kleinere Motoren eingesetzt.
Auch die Navigationsgeräte auf der Brücke waren sehr spartanisch und schon zur damaligen Zeit nicht unbedingt auf dem neuesten Standard, es gab kein Radar und ein Autopilot wurde erst in späteren Jahren eingebaut. Die Schotten und Decken der Kabinen hatten keine Verkleidung, alles nackter Stahl. Der Kapitän und die Steuerleute, sowie der Chief Steward und die sechs Passagiere wohnten im Brückenaufbau, die Ingenieure, Stewards und Köche im Maschinenaufbau, wo sich auch die Kombüse befand. Eine besondere Merkwürdigkeit, die Kabine des Funkers befand sich hinten im Maschinenaufbau, somit hatte der Funker einen langen Weg auf die Brücke, besonders in einem Notfall (normalerweise befand sich die Kabine des Funkers gleich neben der Funkbude). Die ganze Mannschaft hauste achtern in Zweierkabinen. Eine Klimaanlage gab es damals noch nicht.
Zur Geschwindigkeitsmessung verwendete man ein sogenanntes Patentlog, wie es vermutlich schon auf den Segelschiffen verwendet wurde.
Schematischer Aufbau eines Patentlogs
Ablesen des Speedlogs auf der Backbordbrückennock der ANUNCIADA
Das Speedlog des Frachters DIAM (ex-GISNA, Norwegische Flagge, Baujahr 1960)
Das Log wurde hinter dem Schiff nachgeschleppt. Die Log Uhr als Fixpunkt befestigte man entweder an der Reling achtern oder wie auf der ANUNCIADA gleich auf der Brücke. Der Propeller (etwa 400 mm lang), der an der Logleine hängt, wird aussenbords gebracht und ungefähr 100 Meter hinter dem Schiff hergezogen. Das Schwungrad stabilisiert die Leine und sorgt für eine gleichmässige Drehung des Logs. Normalerweise bleibt das Log während der ganzen Seereise im Wasser, allerdings musste darauf geachtet werden, dass sich kein Seegras oder andere Stoffe im Log verhedderten.
Die erste Zeitcharter der ANUNCIADA nach ihrer Ablieferung war für die Eidgenössische Getreideverwaltung in Bern und dauerte fünf Jahre. Die Reisen führten meistens nach den USA und Kanada, aber auch nach Argentinien. Dann folgten zwei Jahre mit der SAL, South African Line, die mit der deutschen DOAL zusammenarbeitete. Die Linie führte von Nordeuropa nach Namibia, Südafrika und Lourenco Marques. Im Sommer 1956 machte der Frachter mehrere Reisen von Nordeuropa nach dem St-Lorenz Strom und Montreal. Es folgte in 1957/58 eine lange Reise von Nordeuropa - Golf von Mexiko - Zentralamerika Westküste - Japan - Fernost - Nordeuropa - Argentinien - Nordeuropa. Im April 1958 ging das Schiff on-hire mit der Tagus-Line und machte drei Reisen nach West Afrika, wobei auch weniger bekannte Orte wie die Inseln Sao Thome und Fernando Po, die Bucht von Porto Alexandre, Angola mit dem Städtchen Tombua (damals ein Fischereihafen) angelaufen wurden. Die Tagus-Line gehörte Ramon Mari Pino, dem früheren Miteigner der ANUNCIADA. Die letzte Zeitcharter ab Januar 1959 bis zum Verkauf des Schiffes war mit der französischen Fabre-Line nach dem Golf von Mexiko und Westindien. Die letzte Reise führte noch nach Bhavnagar, Indien und nach Durban, dann durch den Suezkanal zurück nach Genua, wo die Schweizer Flagge eingeholt und das Schiff an die Bulgaren übergeben wurde. Eine grosse Kesselreparatur oder sogar ein Ersatz des Dampfkessels stand zur Diskussion, eine Ausgabe, die sich die Reederei auf dem alten Dampfer nicht mehr leisten wollte.
Auf einer Fahrt von Montreal, Kanada nach Antwerpen fiel am Pfingstmontagmorgen, 02.06.1952 der Bootsmann Johann A. Moeller bei Malerarbeiten an der Brücke, von seiner Stellage auf das Hauptdeck, wo er schwer verletzt liegen blieb. Der Kapitän sandte ein Telegramm um andere Schiffe um Rat zu fragen. Der Britische Passagierdampfer MAURETANIA, der einen Arzt an Bord hatte, antwortete. Nachdem sich die Lage des Bootsmannes verschlechterte, beschlossen die beiden Kapitäne auf einander zuzufahren, allerdings befanden sich die Schiffe rund 250 Seemeilen auseinander. Um Mitternacht trafen sich die beiden Schiffe und die MAURETANIA brachte trotz hoher Wellen von 4-5 Metern ein Boot zu Wasser um den Verletzten abzuholen und ihn in die Obhut von Schiffsarzt und Krankenschwestern zu geben. Nach einem Tag und einer Nacht, konnte der Bootsmann in Cork an Land gebracht werden, leider erlag er im Spital trotz der guten Pflege seinen schweren Verletzungen.
Ende 1962 gab die Bank Pictet & Co, Genf ihre Aktivität als Reeder auf und verkaufte ihre 3 A-Schiffe, die ANUNCIADA, ALLOBROGIA und ARIANA an die Suisse-Atlantique Société d‘Armement Maritime S.A., Lausanne, am 09.03.1963 übernahm die Suisse-Atlantique den Betrieb der ANUNCIADA.
In 1963 wurde die ANUNCIADA von den Eignern an die bulgarische private Handelsfirma Imextracom Etablissement*) Vaduz / Varna verkauft und am 09.07.1963 in Genua, Italien an die neuen Besitzer übergeben und aus dem Schweizer Schiffsregister gestrichen. Das Schiff wurde auf BENI SAF umbenannt und unter bulgarischer Flagge registriert (Register Nr. 108, Rufzeichen: LZEE). Das Management wurde von Texim übernommen.
In 1967 wurde die BENI SAF in das Eigentum der Navigation Maritime Bulgare, Varna übertragen, die das Schiff 1974 in Bulgarien verschrotten liessen.
Quellen:
*) Bemerkung zu Imextracom:
Georgi Ivanov Naydenov (1927 - 1998), in 1942 trat er den bulgarischen Partisanen bei um gegen den Faschismus zu kämpfen. Nach dem Krieg arbeitete er im Aussenministerium. In 1954 begann der algerische Unabhängigkeitskampf gegen die Franzosen, die Bulgaren wollten den Kampf unterstützen, konnte das aber wegen ihren guten Beziehungen zu Frankreich nicht offiziell tun. Zusammen mit dem algerischen Revolutionär Mabet Sharef “Doctor Hashemi” gründete Naydenov in 1961 das erste Joint Venture Bulgariens, Imextracom Establishment in Vaduz / Varna. Das Unternehmen lieferte Waffen und Ausrüstung durch die französische Blockade nach Algerien (der erste Blockadebrecher war die BREZA). Die Firma kaufte 1963 ihre ersten zwei Schiffe, eines davon war die ANUNCIADA. Der Name Beni Saf ist die Heimatstadt von Mabet Sharef, eine kleine Hafenstadt im Westen von Algerien. 1969 wurde das Unternehmen auf Betreiben von Moskau verstaatlicht und Naydenov musste fünf Jahre im Gefängnis sitzen. Das Unternehmen existiert noch heute als Texim Bank. Seine Nachkommen leiten das Unternehmen und haben in St. Gallen studiert.
SwissShips im Oktober 2022
Notes arrived from Malcolm Cranfield. Deep sea voyages of the BENI SAF in LSI had included:
1967: Voyages from Med to West Indies and Rostock to Cuba
1968: From Black Sea in April to Djakarta via Gibraltar sailed Djakarta 8th June for Basrah and Dubai sailed Port Sudan 22nd September for Hamburg sailed Rotterdam 4th December to Izmir.
1970: Not listed until sailing from Bar to Port Sudan - passed Gibraltar 10th December, sailed Cape Town 11th January 1971
1971: Sailed Cuddalore 25th March for Gibraltar, SAILED CAPE TOWN 24th April 1971
...she then traded only in the Med/Black Sea.
Zusätzliche Informationen und Geschichten
Die ANUNCIADA kann man wohl als ein Phänomen bezeichnen, wie "Jet" ein alter Anunciada-Fahrer in der unten folgenden Geschichte darstellt, eine nicht ganz ernst zu nehmende Story, gesponnen mit Seemannsgarn, aber sie zeigt, dass sich die damaligen Seeleute stark mit ihrem Schiff verbunden fühlten.
Auch wenn das Schiff "Rostlaube" und "Seelenverkäufer" genannt wurde, soll man das nicht so wörtlich nehmen, letztendlich war sie auch eine "Old Lady". Die ANUNCIADA war nicht besser und nicht schlechter als viele andere Schiffe die damals die See befuhren. Auch kann diese Zeit nicht mit heute verglichen werden.
Auf der ANUNCIADA hatte die Mannschaft noch Zweierkabinen, eine Klimaanlage war wie auf den meisten Schiffen damals noch nicht vorhanden. Es gab auch keine Fernsehgeräte, höchstens ein paar Radios in privatem Besitz. Zudem mussten auf diesen Schiffen relativ viele Überstunden geleistet werden, das veranlasste die Seeleute wenn immer möglich die freie Zeit an Deck zu verbringen, Stories zu erzählen und noch ein paar "Möscht" (Biere) zu trinken. Die Liegezeiten in den Häfen waren meistens lang und erlaubten auch mal eine tüchtige Welle an Land zu reissen, zumal in den meisten Häfen noch Kneipen vorhanden waren in denen sich "Hein Seemann" wohlfühlen konnte. Es war dann auch nur eine Frage der Zeit und man erzählte sich auch manch Privates, was man an Land vermutlich nie erzählt hätte. All dies führte dazu, dass die Mannschaft ein Zusammengehörigkeitgefühl entwickelte, wie es in einem vergleichbaren Landjob wohl nie entstanden wäre.
Obwohl auf diesem Dampfer schon vor bald 50 Jahren, im Juli 1963 um genau zu sein, die Schweizer Flagge eingeholt wurde, haben sich ehemalige Seeleute nach über 30 Jahren wieder zu regelmässigen Zusammenkünften in Zürich zusammengefunden, dem sogenannten "Anunciada-Treffen". Dies wurde erstmals am 11. November 1995 in Dübendorf (bei Zürich) durchgeführt, seither gab es 13 solche Treffen, das Letzte wurde im letzten Jahr, am 8. Oktober 2012 in Zürich-Öerlikon abgehalten und wurde von etwa 26 Personen besucht. Es wird durch den Präsidenten der Sektion Zürich, des SCS (Schweiz. Seemanns Club), Kurt Dällenbach organisiert. (Siehe auch Bericht vom 2. Treffen 1996 & dem 4. Treffen von 1998)
Nachfolgend nun die Geschichte von "Jet" und zwei Berichte über diese Treffen, verfasst von Hanspeter Steger und von Peter Marti
Phänomen ANUNCIADA (von "Jet")
1947 lief in Sunderland bei Doxford & Sons Ltd. der Frachter m/s ANUNCIADA von Stapel. Die Fertigstellung wurde 1948 von Kapitän Jack Voirol im Auftrag der Reederei überwacht. Das Schiff hat in den Jahrzehnten danach die Weltmeere befahren; von der Barents See bis zum Golf von Guinea, von der Karibik bis zum Arabischen Meer. Die "Old Lady" hat den Suez- und den Panama-Kanal geschafft und 1959 vor Sevilla den Rio Guadalquívir für die gesamte Schifffahrt blockiert, als sie wieder einmal auf Grund gelaufen war. Das ist in ihrem langen Leben öfters passiert, doch sie konnte stets wieder frei geschleppt und repariert werden. Schliesslich, nach fast dreissig Jahren, nach einem wechselvollen Leben unter verschiedenen Flaggen und Reedereien, wurde die ANUNCIADA 1974 in Bulgarien, am Schwarzen Meer, verschrottet.*
Die Ausrüstung des Schiffes mit einem Gegenkolben-Doxford-Motor, Dampfkompressoren für den Hilfsbetrieb und Dampf-Winden erforderte erfahrene Seeleute und lockte auch Abenteurer an. Eine Schicksalsgemeinschaft, vielleicht stärker aufeinander angewiesen als auf anderen Schiffen. Dies alles führte unweigerlich zu einer Legendenbildung. Der Dampfer erhielt einen Nimbus, vergleichbar mit demjenigen des "Fliegenden Holländers" und führte dazu, dass sich ehemalige Crew-Mitglieder bis heute regelmässig treffen, um die Freundschaft zu pflegen und alte Geschichten aufleben zu lassen.
Wer immer es wagte, in den Maschinenraum mit dem archaischen Doxford-Motor hinab zu steigen, er musste seine Arme eng am Körper anlegen, damit sie ihm nicht von den auf und abzischenden Schläuchen und Transmissions-Stangen vom Leibe gerissen wurden. Gefrorene Dampfleitungen wurden im Winter mit der Lötlampe aufgetaut und alsbald verschwand das ganze Vorschiff in einer Wolke aus Wasserdampf! Wenn endlich die Ladewinden wieder funktionierten, tönte das Klappern der Ventile wie Musik in den Ohren der Matrosen. Im Zwischendeck wurde mit Kreide markiert, wo man besser nicht hintreten sollte, wenn man nicht in die Luke, auf die Wegerung hinunterstürzen wollte.
Neben zahllosen, teils ungeheuerlichen Begebenheiten, sei hier stellvertretend nur über eine Episode kurz berichtet: 1963, auf der Reise von Lake Charles/Louisiana nach Bhavnagar in Indien, wurde in Aden/Jemen, Marine-Diesel gebunkert. Ein OS, sie nannten ihn "Cesco", wurde beauftragt, ein Überlaufventil an Deck zu überwachen. Längsseits hatte inzwischen ein "Schwimmender Händler" mit seiner Barkasse festgemacht. "Cesco" stand barfuss auf seinem Posten und verhandelte, über die Reling gebeugt, mit dem Händler über den Preis für einen Radio. Von "Cesco" unbemerkt, ergoss sich aus dem Überlaufventil warmer Marinediesel über seine Füsse, floss unter der Verschanzung hindurch, hinab in die Barkasse und den Hafen. Es dauerte keine Stunde bis die Hafenpolizei an der Gangway anlegte und unseren Kapitän wegen Gewässerverschmutzung verhaftete. Gegen eine hohe Kaution wurde er schliesslich wieder freigelassen und wir konnten die Fahrt fortsetzen. Leider wurde bei Sicherheits-Übungen in Aden damals auch ein Rettungsboot so arg havariert, dass der "Chippy" ein Ersatzboot bauen musste. Da sich dieses aber als nicht schwimmfähig erwies, wurde es hinfort als Badewanne bei Äquatortaufen genutzt.
Man kann gut verstehen, dass Seeleute, welche Reisen mit dieser "Rostlaube" überlebt haben, sich heute noch gerne an die abenteuerlichen Reisen erinnern. Mit dem letzten ANUNCIADA-Fahrer wird wohl auch dieser "Seelenverkäufer" im Nebel des Vergessens entschwinden.
SwissShips HPS, MB, Februar 2012