Ein Gastspiel auf der PIZ JULIER 1966 Anfangs 1966 suchte die BRAG (Basler Rheinschiffahrt Aktiengesellschaft) in der Flaschenpost sogenannte Matrosen/Motorenwärter für ihre grossen Tankschiffe. Am 29.03.1966 fuhr ich mit der Bahn nach Frankfurt und musterte auf dem damals grössten Tankschiff der Schweiz, auf der PIZ JULIER an. Zusammen mit Klaus, dem anderen Matrosen, konnte ich in der schönen und geräumigen Passagierkabine achtern wohnen. Vorne wohnte nur Gerd der Schlüsselmatrose.
PIZ JULIER mit vielen Gästen besetzt bei der 1. Ankunft in Basel am 22. August 1957 Von Frankfurt fuhren wir gleich für ein paar Tage zur Reparatur auf die Rhein-Werft in Mainz-Mombach, da wo das Schiff auch gebaut wurde (die Werft existiert heute nicht mehr). Dann folgte eine Reise nach Rotterdam um eine Ladung Heizöl für Basel zu laden. Oskar Fien der Schiffer, stammte als einer der Wenigen bei der Reederei nicht aus Greffern, sondern wohnte in Marlen/Goldscheuer, einem kleinen Dorf einige Kilometer oberhalb der Stadt Kehl. Ein Grossteil der Schiffer und Matrosen der Reederei stammte aus Greffern, einem Dorf unterhalb von Kehl. Böse Zungen behaupteten daher, BRAG würde „Blödes Rindvieh Aus Greffern“ heissen. Es war daher naheliegend, dass der Schiffer nach Möglichkeit immer beim Rheinwärterhaus von Marlen für die Nacht festmachte, so konnte er mit seinem Moped nach Hause zu seiner Frau fahren, während wir auch mit den Mopeds ins näher gelegene Marlen fuhren, um in der „Rheinlust“ ein paar Bier zu trinken und etwas zu essen. In Basel, am Klybeckquai angekommen, schickte mich Oskar gleich zu Karl Rebsamen, dem vom VHTL zuständigen Mann für die Rheinschifffahrt, der zu jener Zeit in einer kleinen Baracke am Ufer der Wiese hauste. Hier musste ich mich melden, um der Gewerkschaft als Mitglied beizutreten.
VHTL Sekretariatsbudeli Oskar, als glühender Gewerkschafter sorgte aber auch dafür, dass wir richtig Geld verdienten und schrieb die Überstunden nicht zu knapp, so verdiente ich erstmals mehr als 1000.- Franken im Monat. In Basel-Kleinhüningen kehrte man nur im „Wiesengarten“ ein, als ich den Vorschlag machte, man könnte auch mal gegenüber ins „Schiff“ gehen, hiess es kurz „nein, da geht man nicht hin“. Später wurde mir klar, da sassen eben die von den "Roten“ (SRAG = Schweizerische Reederei AG) drin. Der Schlüsselmatrose Gerd und der Schiffer stritten sich, ob man die PIZ JULIER, 95 m lang im Altwasser neben dem Rheinwärterhaus in Marlen drehen kann, der Schiffer meinte das würde er mühelos fertigbringen, was Gerd vehement bestritt. Also wettete man einen Kasten Bier. An einem schönen Sommernachmittag, wir lagen wieder beim Rheinwärterhaus und mussten auf einen Liegeplatz in der Raffinerie in Strasbourg warten, fuhren wir hinein in dieses Altwasser um das Schiff zu drehen. Nehme mal an, Oskar hatte sich den Platz schon vorher gut gemerkt, nach etwa 2-300 Metern drehte er das Schiff nach steuerbord und drückte den Vorsteven in das weiche Ufer. Langsam drehte er, das Achterschiff nährte sich immer mehr dem gegenüber liegendem Ufer, als wir quer lagen, war der Abstand zum Ufer nur noch ungefähr 3 bis 5 Meter, aber es funktionierte perfekt und wir fuhren wieder zurück an unseren Liegeplatz. Gerd musste den Kasten Bier aufschmeissen und wir genossen ein paar Fläschchen auf seine Rechnung. Zu meinem Leidwesen folgten jetzt ungefähr 20 Reisen von Strasbourg und Karlsruhe nach Basel, zwei/drei Mal auch nach Birsfelden. Dort nahmen wir Ballastwasser auf, das Steuerhaus wurde abgebaut und der Schiffer war mit seinem Metermass im Gange und rechnete um unter der Mittleren Rheinbrücke durchzukommen. Auf der Fahrt zu Tal, musste der Schiffer auf volle Kraft gehen, die PIZ JULIER schoss zentimetergenau unter der Brücke durch, man hätte wohl die Steine des Brückenbogens berühren können. Ein Seekapitän hätte sich vermutlich die Hose vollgemacht, die sind sowas nicht gewohnt. Wir transportierten abwechselnd Benzin und Heizöl, der Schiffer liebte vor allem das Benzin, vom Rest in den Leitungen mussten wir kleine Fässchen abfüllen. An den Schleusen erhielten die Schleusenwärter jeweils ein Fässchen, um ihre Mopeds zu betreiben und wir schneller geschleust wurden. Den Inhalt der Leitungen, ungefähr 2000 Liter konnten wir in der Raffinerie in Strasbourg wieder verkaufen, das genügte um uns in der Kneipe ein Abendbrot und ein paar Bier zu genehmigen. Die Autofahrer haben manchmal hitzige Diskussionen, mit welchem Benzin man besser und schneller fährt. In Strasbourg oder Karlsruhe wurde das Schiff aus einer Leitung vollgeladen mit Benzin, aber zu meiner Verblüffung entstand in Basel Benzin der verschiedensten Marken. Ein Mann mit einem Karton voller Farbsäcklein kam an Bord und fragte dann den Schiffer „welcher Tank ist für Shell?“, hier warf er das gelbe Farbpulver rein, für Esso kam rotes Pulver in den Tank etc. Das Benzin diente auch zum Deckwaschen, Oskar liebte ein sauberes Schiff. Wenn über Nacht Tau gefallen war, oder wir Rotterdam mit seinem Salzwasser verlassen hatten, musste das Deck gewaschen werden. Dazu nahmen wir unzählige Eimer, gefüllt 1/3 mit Benzin, einen guten Schuss Waschpulver, dann mit Wasser aufgefüllt wurde nun das Deck geschrubbt. Das Wasser, zusammen mit dem Benzin und dem Waschpulver lief über die Kante in den Rhein, zum Glück gab es zu jener Zeit noch keine Grüne. Dann fuhren wir wieder in die Werft in Mainz, warum weiss ich nicht mehr. Gerd und Klaus musterten ab und zum Leidwesen des Schiffers kam ein anderer Matrose, ebenfalls ein Schmierer von der Seefahrt an Bord und hauste vorne in der Backbordkabine. Allerdings blieb der nur sehr kurze Zeit an Bord, er meinte, so einen „Scheiss“ würde er nicht länger mitmachen. In der Werft meinte der Schiffer, „ihr beide aus der Seefahrt, sowieso zu nichts nutze, reinigt mal die beiden Hauptmaschinen und macht sie wieder sauber“. Die Arbeit ging flott vonstatten, als Oskar vorbeikam und rummoserte, ja die Leute von See hätten wirklich keine Ahnung, „ich will euch mal zeigen, wie man so eine Arbeit speditiv macht“, holte eine grosse Gartenspritzkanne voller Dieselöl spritzte die Zylinderdeckel tüchtig ab und tatsächlich, zu unserer Freude glänzten die Maschinen schon bald wie neu. Nach der Werftzeit fuhren wir bergwärts und nach ungefähr einer halben Stunde kam der Schmierer aufgeregt zum Steuerhaus gerannt und meldete, dass die Maschinen Feuer gefangen hätten. Oskar sagte noch zu mir „fahr mal weiter“, dann wetzte er mit dem Schmierer zum Maschinenraum um den Brand zu löschen. Nun als Oskar die Maschinen auf volle Kraft hochfuhr, gingen die Abgastemperaturen auch hoch und entzündeten das Dieselöl das sich in der Isolation der Auspuffleitungen angesammelt hatte. Nach einer weiteren halben Stunde war das Feuer gelöscht und als Oskar wieder im Steuerhaus zurück war, sagte ich „Schiffer, Du hast ja wohl viele Bekannte auf dem Rhein, von jedem Schiff winken die wie die Irren“. „Natürlich winken die alle, Du fährst ja auch über die Wiese, statt im Fahrwasser“. Dummerweise hatte ich die Fahrwasserbojen verwechselt, man lernt nicht nur in der Schule. Kleine Geschenke erhalten die Freundschaft, so hatte der Schiffer einen Vorrat an Zigaretten in der Bankkiste auf der die Grenzbeamten sassen und die Formalitäten erledigten. Auch die Zöllner in Basel waren dankbare Abnehmer einer Stange Zigaretten, ein Schelm der Böses denkt. Ein anderes Kapitel waren die Radargeräte, damals in 1966 noch selten zu sehen auf dem Rhein. Die PIZ JULIER hatte so ein Gerät und offensichtlich wusste der Schiffer damit umzugehen. Er meinte immer, je dicker der Nebel, je besser, dann sind die Anderen, die mit dem Radar nicht so bewandert sind, nicht mehr unterwegs und wir sind auf der sicheren Seite. Meine letzte Fahrt ging noch nach Antwerpen. Wir lagen in der grossen Seeschleuse, vor uns, hinter- und neben uns kleine Kümos, die als Seeschiffe Vorrang hatten und zuerst aus der Schleuse fahren konnten. Der Schiffer war wieder mächtig am Schimpfen „dieses Filzlausgeschwader hat wieder Vortritt und ich mit meinem grossen Schiff von 1850 Tonnen muss warten, eine Schande ist das“, Binnenschiffe hatten eben zu warten bis die Seeschiffe, auch noch so klein, draussen waren.
Auslaufend Antwerpen, Richtung Hansweert. Ein Frachter der OPDR (Oldenburg-Portugiesische Dampfschiffs-Rhederei Kusen, Heitmann & Cie.), Hamburg überholt uns. Die Seeleute sprachen bei OPDR von "Ohne Proviant Durch Russland"
Eine Aufnahme vom vorhergehenden Winter, irgendwo in den Niederlanden. Das Spritzwasser ist auf Deck gefroren
Bei Nijmegen Einmal, wir lagen nachmittags irgendwo am Oberrhein, kamen zwei junge, abgerissene Gestalten an Bord, sie suchten Arbeit und wollten mit dem Schiffer sprechen. Oskar fragte, warum sie denn ausgerechnet auf einem Schiff arbeiten wollten? „Ja wir möchten auch mal gammlig leben…“, das war dann doch zu viel für den Schiffer, er explodierte förmlich und jagte die Beiden zum Teufel, so schnell war noch Keiner die Gangway runter. Nun das war mein Gastspiel bei der Rheinfahrt, nachher ging ich wieder als Motormann auf See, bei Migros auf der SUNAMELIA fuhren wir nach Westindien und Kanada. Ich blieb jetzt der Seefahrt treu bis zu meiner Pension. Im Februar 2024 Hans-Peter Schwab, Stiftung www.swiss-ships.ch Der Bericht ist auch Im BULLAUG Nr.: 45/2025 vom Schifferverein erschienen
Passend zu Hans-Peter's Story, ein Auszug vom Januar 1966 aus dem Strom + See über die Ankunft der 4 millionsten Tonne in den basellandschaftlichen Rheinhäfen mit TMS PIZ JULIER
Kapitän Oskar Fien |