FIRMENGESCHICHTE PAUL PREISIG HERISAU
Hier haben wir die Geschichte eines Schweizer Seemannes, der die Seefahrt nicht nur aus dem Blickwinkel der Bars und Nachtclubs kannte und beurteilte.
Paul Preisig, Jahrgang 1944, verbrachte seine Jugend auf einem Bauernhof in Herisau, im Kanton Appenzell Ausserrhoden, hier lernte er schon früh zu arbeiten. Er besuchte dort die Schulen und machte dann in dieser Stadt auch eine Lehre in der kantonalen Verwaltung.
In 1963 ging er zur See, begann als Messboy auf dem Frachter RHIN von Suisse-Outremer, nachher folgten andere Frachter dieser Reederei. Nachdem er Vollmatrose geworden war und die benötigte Seefahrtszeit beisammenhatte, besuchte er die Seefahrtsschule in Warsash, Grossbritannien (bei Southampton) und erwarb 1974 sein Kapitänspatent, Foreign Going (Grosse Fahrt). Nach dem Erhalt des Kapitänspatentes konnte er als Erster Offizier auf der CASSARATE anmustern und sie kurze Zeit später als Kapitän übernehmen. Er machte mit diesem Frachter eine Reise nach Südafrika und zurück nach Nordeuropa.
Durch ein Inserat in der „Flaschenpost“ das besagte „Kapitän wollen sie Reeder werden“ nahm er Verbindung auf mit der Firma Seacon in London, die dem Schweizer Christoph C. Roth (geb. 1927) und seiner Familie gehört. Diese Firma wurde 1955 unter dem Namen Sea & Continental Waterways Transport Ltd. in London gegründet und besteht noch heute als Seacon. Sie betreibt einen grossen, modernen Terminal in Northfleet an der Themse (gegenüber Tilbury Docks), hat eigene Schiffe und Lastwagen. Auch der Birsterminal im Hafen von Birsfelden (Basel) gehört zur Gruppe.
Inserat aus der Flaschenpost (Magazin des SCS, Seemanns Club Schweiz
Paul Preisig handelte 1974 einen Vertrag aus und kaufte 49% einer Firma, die das Kümo SEA MAAS in bare-boat Charter hatte und es an Seacon in Zeitcharter weitergab. Nach zwei Jahren wurde die SEA MAAS verkauft. Jedoch merkte Paul bald, dass der Eigner den grössten Teil des Profites in die eigene Tasche steckte und er den Löwenanteil der Arbeit zu machen hatte. So begann er sich umzusehen um ein eigenes Schiff zu kaufen und in 1976 ergab sich die Gelegenheit, als Seacon vier Schiffe auf einer Werft in Japan in Auftrag gab. Den letzten dieser neuen Frachter konnte Paul Preisig übernehmen. Kapitän Preisig übte die Bauüberwachung aller vier Schiffe aus, eine Aktion die sich im Betrieb des Schiffes bestimmt von Vorteil erwies.
Nach harten Verhandlungen mit der Bank und mit einer Beschäftigungsgarantie von Seacon konnte endlich die nötige Finanzierung bereitgestellt werden. Im Februar 1978 wurde sein Schiff, die SEA RHINE fertiggestellt und Paul Preisig überführte den kleinen Frachter persönlich von Japan nach der Nordsee und fuhr die nächsten vier Jahre praktisch ständig mit. In dieser harten, arbeitsintensiven Zeit, musste auch die Hypothek abbezahlt werden. Die Gezeitentabellen wurden ein wichtiges Werkzeug, um die Hafenliegezeiten so kurz wie möglich zu halten, ein Hochwasser zu überspringen um sich einen Landgang zu erlauben kam nicht in Frage.
Das Management des Frachters organisierte Paul von Bord aus, das Meiste per Bordtelefon über die Küstenfunkstellen (Mobil-Telefone gab es zu dieser Zeit noch keine). Glücklicherweise waren die Seereisen meistens nur kurz und im Hafen konnte man den persönlichen Kontakt mit den verschiedenen Leuten, wie Agenten, Schiffshändler, Surveyors, Werften etc. pflegen.
Eine Broker-Firma der Seacon-Gruppe sorgte für die Befrachtung des Schiffes. Ab 1988 fuhren die Schiffe auf dem freien Markt, hauptsächlich in Zeit-Charter. Die Ladungen bestanden vielfach aus Stahlrollen (steel coils), Schrott, Kohle, aber auch Getreide. Das Fahrtgebiet erstreckte sich über die Nord- und Ostsee, sowie das Mittelmeer, weiter entfernte Gebiete, wie Afrika, mied der Eigner Paul Preisig, um im Fall von Problemen schnell vor Ort zu sein.
Die Schiffe hatten eine Crew von 8 Mann, Kapitän, Steuermann und ein Ingenieur, die hauptsächlich aus Grossbritannien und Polen stammten. Arbeitsverträge waren noch sehr rudimentär gestaltet, es galt noch „ein Mann, ein Wort“. Die Mannschaft stammte aus Cabo Verde. Paul rekrutierte seine Seeleute direkt aus der grossen Community der Kapverdier in Rotterdam, so konnten die Reisekosten von und nach Cabo Verde vermieden werden.
Bis 1982 fuhr Kapitän Preisig praktisch ununterbrochen auf seinem Kümo, blieb teilweise bis zu 18 Monate an Bord, nachher machte er nur noch die Ablöser-Reisen, so war Paul immer persönlich über die Zustände an Bord im Bild. Jetzt war auch die Zeit gekommen, um die Planung eines zweiten Schiffes in Angriff zu nehmen. Zuerst musste der Schiffstyp definiert und eine entsprechende Bauwerft gefunden werden, parallel dazu die Finanzierung bereitgestellt und ausgehandelt werden, alles Dinge die viel Zeit in Anspruch nahmen.
Die SIX MADUN, ein grösseres Kümo von 996 BRT und 89,3 m Länge, wurde bei der Damen Werft in Gorinchem, an der Merwede oberhalb von Rotterdam gebaut. Wiederum machte Paul Preisig die Bauaufsicht selber. Obwohl die Niederländer keine Subventionen an die Werften bezahlten, waren sie ungefähr 25% billiger als die Deutschen. Dieser Neubau wurde im Dezember 1985 an den Eigner abgeliefert.
Schon einige Monate später, im April 1986 ergab sich die Gelegenheit in Rotterdam das deutsche Rhein-See Schiff OSTEMAAT von einer deutschen Bank zu ersteigern, das als LAI DA TOMA in Dienst gestellt wurde.
In 1989 standen die Aktien der Suisse-Outremer in Folge des Rückzuges des Barons Hans Heinrich Thyssen-Bornemisza aus der Schifffahrt, zum Verkauf. Kapitän Preisig übernahm die Firma am 01.11.1989 und leitete sie bis zur Geschäftsaufgabe zehn Jahre später.
Im Sommer 1990 wurde der türkische Frachter YUNUS II in Malta übernommen und auf MARTIN P. umbenannt. Am 24.08.1990 wurde das Schiff unter Schweizer Flagge registriert (Register Nr.: 133 / Rufzeichen: HBFH).
Per Ende April 1999 stellte die Reederei ihre Tätigkeit ein. Die verbliebenen zwei Schiffe SEA RHINE und MARTIN P. wurden zum Betrieb der befreundeten Reederei ABC Maritime AG, Nyon übergeben. Das ganze Umfeld um Geschäfte zu entwickeln und durchzuführen wurde zunehmend schwieriger, zudem hatte Kapitän Preisig in seinem Berufsleben kaum Urlaub gemacht, somit fiel der Entscheid die Firma frühzeitig aufzulösen auch leichter. Für die verbliebenen Mitarbeiter gab es einen Plan um ihnen den Abgang zu erleichtern.
Die MARTIN P. wurde in einem Orkan im Dezember 1999 in Istanbul auf Grund gedrückt, worauf sie zum Totalverlust erklärt werden musste. Die SEA RHINE wurde im Juli 2002 an die Griechen verkauft.
SwissShips HPS / PP im Oktober 2024