Windjammer für Winterthurer Handelshäuser
von Walter Zürcher
Vor 150 Jahren lief das Vollschiff „Winterthur" vom Stapel Grosse Schiffe mit geblähten Segeln, waren Ausdruck einer Epoche. Sie waren über Jahrhunderte hinweg das wichtigste Transportmittel, erschlossen die Welt, übermittelten Nachrichten und hatten ihren festen Platz im Ablauf der grossen Ereignisse. Lukrativer Überseehandel „Wenn alles so verläuft wie vorgesehen, werden wir in einem Jahr 30 - 40% Gewinn einstecken und das Schiff wird uns in drei Jahren nichts mehr kosten", schrieb Georg Heinrich Biedermann 1853 an seinen Sohn Karl. Gemeint war hier der am 23.Mai 1853 vom Stapel gelassene und soeben in Bremerhaven bei R. C. Rickmers fertig gestellte Segler „Winterthur". G.H. Biedermann wurde zwar schon früher durch die Firma Baour & Cie. in Bordeaux auf die Möglichkeit einer Schiffsbeteiligung aufmerksam gemacht, doch lehnte er vorerst ab. Es brauchte hierzu den einflussreichen Initiator, das in London domizilierte deutsche Handelsunternehmen „Wattenbach, Heilgers & Co.", um ihn und weitere bekannte Löwenstädter Handelshäuser für das Teilhaben am Gewinn von Schiff und Ladung zu interessieren. Gemeinsam mit Jakob & Andreas Bidermann und den Londoner Wegbereitern teilte er seinen ersten stolzen Windjammer, die „Winterthur". Die „Winterthur" als Auswandererschiff Der zunächst unter Hamburger- und später unter der Flagge Englands segelnde Dreimaster, führte seine erste Reise 1853 von Bremen nach England, wo er für ein Liverpooler Handelshaus Fracht nach Melbourne lud, um später via Kalkutta nach London heimzukehren. Nach 106 Tagen Überfahrt erreichte das Schiff Port Philippe in Australien und nach weiterer 45-tägiger Fahrt am 1.Mai 1854 Kalkutta. Die Freude der beiden Winterthurer Handelshäuser muss riesig gewesen sein, brachte ihnen das Schiff auf ihrer ersten Reise beinahe je Fr.50'000.- Reingewinn. Doch bereits auf der zweiten Fahrt war die Fracht ungenügend, so dass sie den Laderaum mit 500 Fässer Teer und 1000 Kisten Zinnplatten füllten. Dazu Biedermann skeptisch: „Bleibt abzuwarten, wie wir diese Artikel in Indien zu Geld machen". In späteren Jahren setzten die Reeder die „Winterthur" auch für Personentransporte von London nach Australien und Neuseeland ein. So versegelte sie beispielsweise am 25.Mai 1863 von London nach Brisbane, lief folgend Bombay an und kehrte am 24.Oktober 1864 heim nach London. Auf ihren zwei Reisen nach Auckland unter dem Kommando von Kapitän William Goudie beförderte sie 1865 126 Passagiere und ein Jahr später waren es 59 Reisende. Eine weitere Fahrt nach Brisbane startete sie in England im April 1868 und kehrte erst wieder nach elf Monaten nach London zurück. Nach 20 Jahren erfolgreichen Fahrten veräusserten sie 1873 den 40,5 Meter langen und 10 Meter breiten Segler, der bis zu 1000 Tonnen Fracht laden konnte, an einer Auktion in Batavia. Neue Investitionen trotz Verlusten Auch in den Geschäftsbüchern der Textilfirma Gebr. Greuter & Rieter finden sich vor 150 Jahren Beteiligungen an Seeschiffe wie an dem in Jersey konstruierten Klipper „Matilda Wattenbach" und der in Dänemark erbauten „Calcutta". Während die Reeder in London die 60 Meter lange „Matilda Wattenbach" bis zu ihrem Weiterverkauf 1863 überwiegend vermieteten und der Charterer sie im Auswanderungsgeschäft nach Australien und Neuseeland einsetzte, blieb der nach dem Modell des berühmten amerikanischen Klippers „Sovereign of the Seas" nachgebauten „Calcutta" nur eine kurze Lebensdauer gegönnt. Noch auf ihrer Jungfernfahrt nach London, hier sie Fracht für Australien im Wert von £ 8000 zu laden beabsichtigte, lief sie am 4.Oktober 1853 bei Laeso / Dänemark auf Grund und schlug leck. Doch der für Greuter & Rieter schockierende Verlust (das Schiff war mit 80'000 Reichsbanktaler, gleichbedeutend mit 2/3 ihres Wertes versichert) scheute sie nicht, sich später an weiteren Einheiten finanziell zu beteiligen. Unterschiedliche Renditen Der zehnjährige Einsatz der „Matilda Wattenbach" verursachte in der Schlussrechung von Greuter & Rieter ein kleines Finanzloch. Die „Helen Heilgers" hingegen, an der sie sich 1854 mitbeteiligten und die schon im September 1856 infolge einer Kollision in tiefen Fluten versank, war glücklicherweise gut versichert, so dass ihnen eine ausgeglichene Rechnung blieb. Auch der 15jährige Einsatz des Klippers „Ida Ziegler", die zu 75% in Winterthurer Eigentum stand, bescherte ihnen einen beachtlichen Gewinn. Gravierend negativ zu Buche schlug die 1855 eingegangene 1/8-Beteiligung am grossen Klipperschiff „Augustus Wattenbach". Das bereits nach der zweiten Reise veräusserte Schiff verursachte ihnen einen Riesenverlust. Während die Renditen im Schifffahrtsbereich für G.H.Biedermann und J.&A.Bidermann günstig ausfielen, endete die Schlussbilanz für die Gebr. Greuter & Rieter negativ. Lobenswert hatten sie die Zeichen der Zeit erkannt und keine Neuanschaffungen mehr getätigt. Synonym für Schnelligkeit und Eleganz Unter einem Klipper versteht man ein als Schnellsegler entworfenes Schiff, mit hohlen Wasserlinien im Vor- und Achterdeck und einem grossen Längen - zu - Breitenverhältnis. Weitere Merkmale sind die leicht nach hinten geneigten Masten und grosse Segelflächen. Der schlanke, strömungsartige Rumpf verlieh den Seglern ein elegantes Aussehen. Erstmals dürfte der Begriff um 1812 für die Baltimore-Klipper verwendet worden sein. Der Ursprung des Wortes „Klipper" ist nicht eindeutig geklärt, reicht aber bis in das 17.Jahrhundert zurück. © Walter Zürcher Schiffsbauch statt Aktenschränke Im neuen Naturmuseum soll ab 2005 auch die Zeit der Winterthurer Segelschiffe gezeigt werden. Im Untergeschoss, wo bisher Akten und nicht ausgestellte Sammlungsstücke gelagert waren, wird ein Raum zum Ladedeck des Klippers „Ida Ziegler" umgebaut. Bereits ist auch das Modell des von Konservator Hans Konrad liebevoll „Ida" genannten Schiffes fertig. Der als „schönstes Schiff seiner Epoche" bezeichnete Segler ist vom Basler Modellbauer Hans Zeller in über 2000 Stunden bis ins kleinste Detail im Massstab 1:75 nach den Originalplänen nachgebaut worden. 1500 Kupferplättchen sind am Rumpf unter der Wasserlinie, 300 miniaturisierte Seilrollen in der Takelage angebracht. Für das Original wurden 16'124 Kilogramm Kupfer verbraucht. Die Segelfläche betrug 30'000 Quadratfuss (rund 2500 Quadratmeter). Der Grossmast des 60 Meter langen und nur gut 10 Meter breiten Schiffs war 44 Meter hoch. Transportieren konnte „Ida" rund 1500 Tonnen. Sie sank in einem Sturm am 27.Februar 1869 bei Napier (Neuseeland). (ab) © Walter Zürcher / Erschienen auch im "Landbote" am 22.Mai 2003 |