Doch der junge
Stadt St. Galler wollte mehr: 1852 wanderte er nach Antwerpen aus und gründete zwei Jahre
später die Auswanderungs-Agentur Steinmann & Cie". Mit gecharterten
Segelschiffen stellte er einen Emigrantendienst nach New York auf die Beine. Bald führte
ihn ein Geschäftseifer nach Südamerika, um die Aussichten für Auswanderer zu prüfen,
richtete schliesslich einen regelmässigen Dienst nach Brasilien ein. Bald darauf
erweiterte er seinen Service mit dem Namen White Cross Line" (W.C.L.) nach
Montevideo und Buenos Aires. Über bis zu zwanzig gemietete Schiffe verfügte er.
Im November 1863 kaufte er sein erstes
Segelschiff und nannte es HELVETIA. Wie bei allen künftigen Schiffen der W.C.L. wehte am
Heck die belgische Landesflagge, am Mast jene seines Heimatlandes. 1865 gelangten zwei
weitere Schiffe in Steinmanns Besitz: Die Bark LUDWIG und die Brigg PRINCESS ROYAL,
zusätzlich charterte Steinmann weiterhin Schiffe.
Den letzten und zugleich grössten
Windjammer der Flotte erwarb er 1872. Die Firma hiess unterdessen Steinmann &
Ludwig" - mit dem Einsitz seines Partners Hermann Ludwig 1870 änderte sich auch der
Name des Unternehmens. In 21 Tagen nach New York
Fast 20 Jahre lang blieben die Besitzer der
Segelschifffahrt treu, und sammelten in dieser Zeit enorme Erfahrungen im
Auswanderungsgeschäft. Dann entschlossen sie sich auf Dampf umzustellen. Andere
Dampfschifffahrtslinien hatten dies bereits ohne Erfolg versucht.
Die Zeit für die Einführung von
Dampfschiffen nach New York war günstig. Die Zahl der Auswanderungswilligen nach den USA
und Kanada nahm stark zu, der Handel erlebte nach dem Französisch-Preussischen Krieg
einen Aufschwung. Ein gemietetes Schiff machte 1872 den Anfang. Im Oktober nahm der
Dampfer STEINMANN den Transatlantik-Dienst auf. Auf ihrer Jungfernfahrt schippte sie in 21
Tagen nach New York. Nach fünf Jahren verkauften Steinmann & Ludwig das Schiff.
Weitere sieben Dampfer mit Kapazitäten
für bis zu 900 Passagiere ergänzten in den folgenden Jahren die Flotte. Verluste in Sturm und Eis
Doch die Geschichte von Daniel Steinmann in
Antwerpen ist nicht nur eine Erfolgsgeschichte: In nicht einmal zehn Jahren verlor die
White Cross Line sechs Schiffe.
1876 wurde die C. F. FUNCH durch ein Feuer
zerstört, zwei Jahre später ertranken beim Untergang der HERMANN LUDWIG 36 Personen.
1881 blieb die HENRY EYDE auf der Reise von Antwerpen nach Boston mit 40 Besatzungsleuten
und 940 Tonnen Zuckerrüben verschollen.
Als Ersatz wurde 1883 als letzter Kauf die
deutsche HANSA erstanden.
Dieser in LUDWIG umbenannte Luxus-Dampfer
war nicht nur die älteste Einheit der Flotte, sondern mit 100 Metern Länge ihr grösstes
Schiff. Kaum wehte am Mast die Schweizer Flagge, wurde im Juli 1883 in Quebec vermeldet,
dass die LUDWIG überfällig sei. An Bord befanden sich 32 Passagiere, 43
Mannschaftsmitglieder. Das Schiff inklusive der Fracht von 444 Zuchtrindern war für 500
000 Dollar versichert. Das Rätsel um den Verbleib des Schiffes wurde nie gelöst, doch
glaubte man, sie sei nach einer Kollision mit einem Eisberg gesunken. 121 Personen ertranken
Dies war weder die letzte noch die
schlimmste Katastrophe, die das Unternehmen ereilte. Das fünfte Desaster ereignete sich
am 3.April 1884, als die DANIEL STEINMANN in der Nähe von Halifax mit 121 Personen
unterging.
Ein Jahr später ging mit der HELEVTIA das
zweitletzte Schiff von Steinmann und Ludwig verloren. An Bord befanden sich keine
Passagiere und die Mannschaft konnte gerettet werden. Doch der Wert der Fracht wurde auf
400 000 Dollar geschätzt.
Der einzige verbliebene Dampfer HERMANN
wurde 1894 an norwegische Interessenten veräussert.
Damit endete auch die Geschichte des
Unternehmens White-Cross-Line.
Der Name Steinmann & Co. in Antwerpen
existierte noch weiter - allerdings nicht als Schiffseigner, sondern als Schiffsagenten
und Spediteure. Nach dem Tod von Steinmanns Sohn Daniel führten dessen Söhne Paul und
George und der Bruder Louis die Firma weiter, bis George Steinmann 1963 starb.
Die Person Daniel Steinmann
Daniel Steinmann (1825-1903) wuchs im Haus zur Linde" am Gallusplatz
als eines von 14 Kindern auf. Sein Vater Johann Jakob Steinmann (1791-1854) nannte sich
Kaufmann und städtischer Unterwaagmeister. 1857 heiratete Daniel Steinmann Johanna
Wilhelmine Greve, sie hatten zwei Töchter und einen Sohn.
Am 14.November 1903 starb er. In über 30 Jahren
Reedereitätigkeit hatte Steinmann vier Segelschiffe und acht Dampfer besessen. 1890 bis
1894 hatte er als Konsul die schweizerischen Interessen in Antwerpen vertreten. (W.Z.) |
Erschienen im St. Galler
Tagblatt, 13. November 2003 / © Walter Zürcher
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